Samstag, 16. April 2011

155: Also doch

Ob man es nun in beliebter Weise auf »den Börsengang« schiebt oder sich mit Spekulationen über die Gründe zurückhält: die Deutsche Bahn hat in den vergangenen Jahren erhebliche Investitionen in ihren Fahrzeugpark hinausgeschoben. Bereits 2003 gab es Planungen zu einer Neubeschaffung der Intercity-Wagenflotte, die demnächst schon zum zweiten Mal »interimsmäßig« renoviert werden muss, da nach wie vor kein Ersatz in Sicht ist; und Ausschreibungen von Diesellokomotiven, sowohl für den Strecken- also auch für den Rangiereinsatz, im Personen- und im Güterverkehr, tauchten schon mindestens genauso lange regelmäßig am Horizont auf, ohne je näher zu kommen. Zulassungsschwierigkeiten und die allgegenwärtigen Achsprobleme machen die Lage nicht einfacher. Immerhin wurden vor zweieinhalb Jahren 130 neue Rangierlokomotiven bestellt (siehe Prellblog 66) und vor etwas über drei Monaten Doppelstockzüge für den »langsamen« Fernverkehr (siehe Prellblog 148).
Dieser Tage scheint nun der Befreiungsschlag zu geschehen: die steckengebliebenen Verhandlungen mit Siemens über die Lieferung von 220 bis 300 Fernverkehrs-Triebzügen (Arbeitstitel »ICx«) sollen zu einem Ergebnis gekommen sein, an Gründonnerstag wird die Unterzeichnung der Verträge erwartet. Siemens darf sich über fünf bis sechs Milliarden Euro freuen, zahlbar bei Abnahme (dies ist für neuentwickelte Züge relativ ungewöhnlich), also verteilt über zirka den Zeitraum 2015-2030. Kein Konsortialpartner wie bei früheren ICE-Baureihen, sondern nur noch Hauptzulieferer, aber dennoch dick am Kuchen beteiligt, ist Bombardier.
Die Québecer wurden darüber hinaus nach Presseangaben noch mit einem Auftrag über 200 Streckendiesellokomotiven im Wert von zirka 600 Millionen Euro beglückt. Die Maschinen sollen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr nutzbar sein. Da es sich dabei nur um den Typ »TRAXX DE«, also auf einer gemeinsamen Plattform mit den Elektrolokomotiven dieser Familie stehende dieselelektrische Lokomotiven, handeln kann, bedeutet diese Bestellung auch einen schweren Schlag für die dieselhydraulische Kraftübertragung, die bei der DB aus Bundesbahntradition heraus einen starken Stand hat. Ich vermute, dass es bei Voith ein paar Tränen gegeben hat, denn außer über eine größere Bestellung der DB wüsste ich nicht, wie sie ihr Produkt »Maxima« und damit überhaupt dieselhydraulische Lokomotiven neuerer Generation auf dem Personenverkehrsmarkt etablieren sollten. Das Zeitalter nennenswerter Anzahlen dieselhydraulisch angetriebener Reisezüge ist damit möglicherweise vorbei.
Die ICx-Lieferung ist aber definitiv die größere Nachricht: Immerhin sollen die zu liefernden Züge sowohl die InterCity/EuroCity-Wagen der DB also auch die ersten beiden ICE-Baureihen ablösen. Für die IC/EC-Ersatzfahrzeuge ist eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h vorgesehen (also eine Steigerung gegenüber den gegenwärtigen 200 km/h), für die ICE-Ersatzfahrzeuge 250 km/h mit einer bloßen Option auf 280 km/h, die Höchstgeschwindigkeit der ICE 1 und 2, die jedoch gegenwärtig ohnehin selten ausgefahren wird. Ob die neuen Fahrzeuge auch mit den Steigungen der Neubaustrecke Köln-Frankfurt zurechtkommen sollen, habe ich noch nicht nachlesen können. Selbstverständlich gibt es bisher auch keinerlei Bilder und Zeichnungen - die Züge sollen vollständige Neuentwicklungen sein. Klar ist nur eines: Es wird Heulen und Zähneklappern bei denen geben, die bei jeder Gelegenheit die völlige Abschaffung von IC und EC befürchten und die diese Tarifierungsfrage mit der Frage verwirren, ob es bei der DB weiterhin lokbespannte Fernzüge geben wird oder nicht. Dass ich bisher noch nichts in diese Richtung vernommen habe, lässt allerdings vermuten, dass die üblichen Verdächtigen vielleicht nicht mehr ganz so laut sind wie früher.

Bild: Les Chatfield (»Elsie esq.«) bei Flickr (Details und Lizenz)

2 Kommentare:

Salzburger hat gesagt…

Das sind ja interessante Entwicklungen in Deutschland. Ich bin da ja ehrlich gesagt nicht ständig "up to date". Aber mich verwundert die Vermutung, dass es vielleicht zukünftig keine lokbespannten Fernzüge mehr geben sollte. Wie würde dann zB. der internationale Verkehr abgewickelt werden? Oder sehe ich das falsch?

Johannes Mueller hat gesagt…

Heute fährt man ja auch schon mit Triebzügen über Ländergrenzen hinweg. Die DBAG wirbt ja so gerne damit, dass sie mit dem ICE nach Frankreich, Belgien, Niederlande, Schweiz, Österreich, Dänemark in ein paar Jahren vielleicht sogar nach Großbritannien fährt.

Die SNCF fährt mit ihrem TGV zumindest man nach Deutschland. Und in die Schweiz. Der Thalys ist auch ein international fahrender Triebzug. Selbst die SJ fahren mit ihrem X2000 zumindest bis Kopenhagen.

Nicht zu vergessen natürlich der Eurostar.

Was lokbespannt bleiben wird, sind langlaufende Nachtzüge, mit Kurswagengruppen.