Montag, 28. Juni 2010

Seufz.

Frank, Johannes Mueller und Thomas aus Köln: Eure Kommentare sind irgendwo im System, aber da der $#%&!@ Moderationsmechanismus von Blogger anscheinend gerade vollständig kaputt gegangen ist, kann ich sie nicht veröffentlichen. Ich habe die Moderation jetzt abgeschaltet, kommentiert noch einmal, wenn ihr möchtet, gezählt seid ihr jedenfalls.

Volkszählung

Nach wie vor weiß ich nicht, wie viele Leute dieses Blog erreicht. Meine Schätzungen, abhängig davon wie man meine Analysedaten interpretiert, reichen von 25 bis 300 regelmäßigen LeserInnen. Es würde mich freuen, wenigstens einmal abschätzen zu können, wie stark der Kreis derer ist, die hier kommentarbereit sind - schreibt doch einfach alle mal einen Kommentar unter dieses Posting. Ihr dürft euch kurz vorstellen, aber gerne auch anonym posten, und am Ende schauen wir dann mal, was rumkommt :)

Sonntag, 27. Juni 2010

131: Draußen rumpelt's

Wer sorgt für Ordnung im deutschen Bahnmarkt? Die Bundesregierung pflegt mit der DB ihren »nationalen Champion« und ist an wenig interessiert, was dieser nicht nutzt; die Regulierung ist mit Eisenbahn-Bundesamt und Bundesnetzagentur auf zwei Behörden verteilt, denen zumindest in Teilen gerne Überforderung nachgesagt wird; die Länder machen häufig Kirchturmpolitik und sind ansonsten mit der (sich im Großen und Ganzen ganz löblich vollziehenden) Weiterentwicklung des Nahverkehrs ausgelastet.
Die großen Treiber, was die Marktordnung bei der Eisenbahn angeht, sind daher die EU und die Gerichte, und in den letzten Tagen wurde das gleich zweifach bestätigt. Zunächst einmal hat die Europäische Kommission angekündigt, gegen Deutschland und zwölf weitere Länder ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einzuleiten, weil dort die Trennung zwischen Netz und Betrieb nicht ausreichend umgesetzt wurde. In Deutschland macht DB Netz zwar nennenswerte Umsätze mit konzernfremden Eisenbahnen, aber die enge Verflechtung zwischen Netztochter und Konzernholding, die teils fragwürdige und schon mehrfach bemängelte Gestaltung der Trassentarife und das schon länger publike Ansinnen, aus DB Netz immer mehr Geld herauszuholen, alles begleitet von einer sehr zurückhaltenden Regulierung, stören das Bild vom liberalisierten Markt doch erheblich. Ob es überhaupt Aufgabe eines staatseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmens, das seine Erhaltungs- und Neubauinvestitionen zu großen Teilen direkt aus der Staatskasse bekommt, sein kann, Gewinne abzuliefern, ist bereits fragwürdig - zumindest solange es nicht machbar ist, kostendeckende Trassenpreise zu erheben, was aus gutem Grund kein relevanter Streckenbetreiber in Europa tut. Wenn dazu noch eine Diskriminierung neuer und kleiner Marktteilnehmer kommt, sei sie Absicht oder einfach in die Struktur des DB-Konzerns eingeschrieben, wird es umso schwieriger, die Verhältnisse zu rechtfertigen.

Passend dazu hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Fernbusverkehre parallel zu bestehenden Eisenbahnverkehren auch bereits dann eingerichtet werden können, wenn ein erheblicher Preisvorteil das einzige ist, was der Bus der Bahn auf dieser Verbindung voraus hat. Damit ist selbst ohne eine Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (siehe hierzu auch Prellblog 117) der Boden für einen potenziell erheblichen Ausbau von Fernbuslinien bereitet. Um die notwendigen Kampfpreise zu erreichen, wird ein im Rahmen dieser Entscheidung entstehendes deutsches Fernbussystem allerdings eher den Charakter des »Chinese Bus« als von Greyhounds haben, möchte ich vermuten. Die Entscheidung hat entsprechend auch schon ihre Kritikerinnen gefunden, und die Rufe nach einer Gesetzesnovelle werden durch sie eher lauter werden.

Was sonst noch von Interesse sein könnte: Die Vogelsbergbahn Gießen-Fulda wird für Geschwindigkeiten bis 120 km/h ausgebaut, um dort endlich einen Stundentakt hinzubekommen. Fahren wird dort dann die Hessische Landesbahn HLB. Ich halte das für eine der besten Eisenbahn-Nachrichten der letzten fünf bis zehn Jahre. Ebenfalls ausgebaut wird auch die Burgwaldbahn Marburg-Frankenberg, und die Hoffnung, dass das Teilstück nach Korbach irgendwann auch wieder eröffnet werden könnte, stirbt nach wie vor zuletzt.

Bild: Yusuke Toyoda bei Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

Samstag, 19. Juni 2010

130: Maulwürfe II

Nach fast drei Jahren wird es Zeit, einmal einen Blick auf meine im August 2007 veröffentlichte Liste der zehn größten laufenden Eisenbahn-Bauvorhaben Deutschlands zu werfen und zu schauen, was sich da so getan hat:

  • Platz 10: Ausbaustrecke Berlin - Frankfurt/Oder - polnische Grenze, Baubeginn 1997, Fertigstellung ca. 2013, Baukosten knapp 0,6 Mrd. Euro.
  • Platz 9: Schienenanbindung des neuen Berliner Flughafens Berlin Brandenburg »Willy Brandt«, Baubeginn 2007, Fertigstellung ca. 2011, Baukosten über 0,6 Mrd. Euro.
  • Platz 8: Ausbaustrecke Emmerich-Oberhausen, Baubeginn ca. 2007, Fertigstellung derzeit unklar, Baukosten 0,9 Mrd. Euro.
  • Platz 7: Totalumbau des Knotens Halle-Leipzig mit Untertunnelung der Leipziger Innenstadt, Baubeginn 2001, Fertigstellung 2013, Baukosten über 1 Mrd. Euro.
  • Platz 6: Ausbaustrecke Lübeck-Stralsund, Baubeginn ca. 1994, Fertigstellung irgendwann nach 2011 (»abschnittsweise, bedarfsgerecht«), Baukosten 1,1 Mrd. Euro.
  • Platz 5: Ausbaustrecke Leipzig-Dresden, Baubeginn 1993, Fertigstellung 2014, Baukosten 1,5 Mrd. Euro.
  • Platz 4: Neubaustrecke Erfurt-Halle/Leipzig, Baubeginn 1998, Fertigstellung ca. 2015, Baukosten 2,7 Mrd. Euro.
  • Platz 3: Umgestaltung des Eisenbahnknotens Stuttgart (»Stuttgart 21«), Baubeginn 2010, Fertigstellung ca. 2019, Baukosten 4,1 Mrd. Euro.
  • Platz 2: Ausbau der Rheintalstrecke Karlsruhe-Basel, Baubeginn 2002, Fertigstellung nach 2014, Baukosten 4,5 Mrd. Euro.
  • Platz 1: Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg-Erfurt, Baubeginn 1996, Fertigstellung ca. 2017, Baukosten 5,1 Mrd. Euro.

Man sieht, dass sich nicht viel getan hat. Kein einziges der 2007 aufgelisteten Projekte ist seitdem fertiggestellt worden, es sind nur zwei durch Neuzugänge aus der Liste hinausgeschoben worden: das sind einmal Stuttgart 21, wofür nach jahrzehntelangem Zittern und Zagen jetzt die Bauarbeiten begonnen haben, und zum anderen der Ausbau der Güterstrecke nach Emmerich und Arnhem, der die Anbindung an die »Betuweroute«, die große Güter-Neubaustrecke der Niederlande, verbessern soll. Auch die Strecke nach Frankfurt/Oder wird in den kommenden Jahren möglicherweise dasselbe Schicksal erleiden, ohne Fertigstellung aus den Top Ten zu verschwinden, wenn nämlich der Spatenstich für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm (2 Mrd. Euro) erfolgt. Etwas deprimierend war es, den Abschlusstermin für den Ausbau Lübeck-Stralsund von »so gut wie fertig« auf »irgendwann« korrigieren zu müssen; das Projekt ist im Zusammenhang mit irgendwelchen Sparmaßnahmen »zeitlich gestreckt« worden und so oder so ist erst die Hälfte der Mittel verbaut.
Mit der Neuaufnahme von Stuttgart 21 hat die Liste einen neuen Schwerpunkt neben Sachsen und Thüringen bekommen, nicht zufällig in einer der anderen großen historischen Eisenbahnregionen Deutschlands. Es mag ja noch hier und da Leute geben, die an einen Abbruch der Bauarbeiten aus Geldmangel glauben; meine persönliche Prognose ist, dass das in spätestens anderthalb Jahren aufhören wird. Große öffentliche Bauvorhaben stecken, wenn sie einmal Fahrt aufgenommen haben, normalerweise selbst allerschlimmste Kostensteigerungen weg, ohne dass man ernsthaft in Betracht ziehen würde sie wieder zu beenden, und das wird auch bei diesem Projekt nicht anders sein. Die Gegner tun sich zudem mit ihrer zunehmenden Militanz und ihrer völlig überzogenen Rhetorik keinen Gefallen. Ich muss zugeben, dass das Gebaren der Stuttgart-21-Gegner, das man jeden Tag in bisher ungekannter Breite in den Kommentarbereichen nahezu jeder Zeitungs-Website Deutschlands bestaunen kann, mich derartig reaktant macht, dass ich mir mittlerweile nur noch eine möglichst zügige Umsetzung wünsche, auch wenn ich von dem Konzept nach wie vor nicht überzeugt bin.
Ebenfalls hartnäckige, wenn auch bisher vor Beleidigungen und Sachbeschädigungen zurückschreckende Gegner hat der Ausbau Karlsruhe-Basel, der wahrscheinlich noch einmal eine gute Ecke teurer werden und länger dauern wird als hier geschätzt. Wenn ich ein wenig überlege, scheint mir ohnehin, dass in Süddeutschland wesentlich energischer über öffentliche Bauprojekte diskutiert und gegen sie protestiert wird als anderswo. Habe ich mit dieser Vermutung Recht?

Bild: Ken Hodge (»kenhodge13«) bei Flickr (Details und Lizenz)

Freitag, 11. Juni 2010

129: Voices Down the Corridor

Vor einer Woche haben Europäisches Parlament und Rat sich auf einen Text für eine EU-Verordnung zur Einrichtung eines Vorrangnetzes für den transeuropäischen Güterverkehr geeinigt. Wer das überhaupt bemerkt hat, hat das wahrscheinlich deswegen getan, weil Deutsche Bahn, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sofort die ihrer Ansicht nach von dieser Verordnung ausgehenden Gefahren für die Fahrplangestaltung im deutschen Eisenbahn-Personenverkehr angeprangert und klargestellt haben, dass die Verordnung gegen ihren Willen zustande kommen wird.
Was steht denn nun drin und was ist so gefährlich?
Die Verordnung definiert zunächst, was ein Güterverkehrskorridor ist: Eine mindestens eine EU-Binnengrenze überschreitende Verbindung zwischen wichtigen Rangier-, Container- oder Verladebahnhöfen, eventuell neben einer Hauptlinie auch Ausweichstrecken umfassend. Für einen solchen Korridor müssen die Betreiber seiner Infrastruktur einen »One-Stop-Shop« als Anlaufstelle für Trassenbuchungen einrichten; sie müssen für das kurzfristige Einrichten von Sonderzugtrassen Kapazitäten in ihm freihalten und auch hochwertige Trassen mit Vorrang gegenüber anderen Verkehren anbieten.
Welche Korridore genau eingerichtet werden, hängt davon ab, was die Mitgliedsstaaten beantragen; es besteht eine Pflicht, je nach Transportvolumen ein bis drei Korridore pro Staat zu beantragen. Ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung wird eine erste Runde von Korridoreinrichtungen festgeklopft, es können neue hinzukommen.

Natürlich freut sich die Deutsche Bahn nicht über eine Entscheidung, die ihr für einige ihrer wichtigsten Streckenzüge (voraussichtlich Duisburg-Schweizer Grenze, Aachen-Berlin-polnische Grenze, Hamburg-Innsbruck) je einen international kooperierten Verwaltungsrat vor die Nase setzen soll. Dass dieser nach dem Kompromisstext nicht auch noch, wie ursprünglich beabsichtigt, für die langfristige Ausbauplanung der Korridore verantwortlich sein soll, ist wahrscheinlich nur ein schwacher Trost. Das an die Wand gemalte Horrorszenario, nach dem massenhaft transeuropäische Güterzüge mit Vorrang gegenüber dem Personenverkehr die deutschen Taktfahrpläne kaputt machen werden und die Fahrplangestaltung ein bürokratischer Kampf von DB Netz mit drei Korridorverwaltungsräten wird, ist allerdings meines Erachtens lediglich vorgeschoben.
Es ist bekannt, dass der Ausbau der Güterverkehrskapazitäten in Deutschland schleppend und unter Schmerzen vorangeht, obwohl Überlegungen zum Güterverkehr seit mindestens vierzig Jahren die deutschen Netzplanungen entscheidend beeinflussen. Das mag auch darin begründet liegen, dass in Deutschland anders als in vielen anderen EU-Staaten der (liberalisierte) Eisenbahngüterverkehr tatsächlich eine Erfolgsgeschichte vorweisen kann und es daher schon schwierig genug ist, Kapazitäten für die eigenen Verkehrszuwächse aufzubauen; schwerer wiegt aber, dass die Deutsche Bahn gerne kapazitätsfeindlich spart und die Finanz- und Verkehrswegeplanung des Bundes es seit Jahr und Tag nicht hinbekommt, ihre Projekte kontinuierlich, berechenbar und solide finanziert zu entwickeln, sondern ständig zwischen irgendwelchen vorgezogenen »Masterplänen« und Notprogrammen auf der einen sowie Sparpaketen, Baustopps, Streichlisten und Streckungen auf der anderen Seite herumeiert.
Auch wenn die deutschen Rahmenbedingungen (Mittelgebirge, Mischbetrieb, im Vergleich mehr Netz, mehr Städte und mehr Industrie als die meisten anderen Länder) hoch schwierig sind: es sind Fehler gemacht worden und werden immer noch gemacht, und die EU-Verordnung wird, direkt oder indirekt, die DB und die deutsche Verkehrspolitik vorführen. Ob die One-Stop-Shops zu Verbesserungen führen, kann ich nicht beurteilen, aber generell ist der Einfluss der EWG/EG/EU auf den Eisenbahnverkehr in den letzten Jahrzehnten durchweg ein eher positiver gewesen und ich bin auch diesmal einigermaßen zuversichtlich.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass ich es für geradezu epochal halte, dass beim neuen Sparpaket der Bundesregierung ausnahmsweise nicht der Verkehrsetat herhalten soll; und dass der neueste Spiegel-Leitartikel zum Thema Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland der reine Stammtisch ist, faktischen Unsinn enthält und insgesamt die Bytes nicht wert ist, auf denen er geschrieben steht. Fast überflüssig zu sagen, dass ich auch die beliebte Meinung, es werde zuviel in »sinnlose Prestige-Projekte« investiert, nicht teile. Ich werde versuchen, mir in einer der nächsten Ausgaben zu diesem Thema mal ein paar Fälle genauer anzuschauen.

Bild: Les Sachs bei Flickr (Details und Lizenz)