Sonntag, 25. April 2010

126: Der Tiger im Tank

Als vor zehn Tagen der europäische Luftverkehr auf Grund einer Vulkanaschewolke zusammenbrach und sich Reisende in Deutschland massenweise in die Fernzüge der Deutschen Bahn stürzten, deren Betrieb auf Grund der andauernden Achswellenprobleme ohnehin seit Langem in einer Art Ausnahmezustand stattfindet; als dann auch noch ein ICE 3 zwischen Köln und Frankfurt eine Tür verlor und das Schreckgespenst noch weiterer Einschränkungen vor Augen stand; in dieser Situation also war wieder die Stunde für ein Thema gekommen, das zu den Dauerbrennern im Diskurs um Eisenbahn in Deutschland gehört.
Es geht um die Frage nach den Reserven.
Einig sind sich alle Beteiligten darin, dass ein Eisenbahnverkehrsunternehmen immer etwas mehr Fahrzeuge braucht, als gerade fahrplanmäßig umlaufen oder gewartet werden, um unerwartete Ausfälle von Zügen irgendwie kompensieren zu können. Weitgehende Einigkeit besteht auch darin, dass Infrastrukturbetreiber ebenfalls Reserven brauchen - seien dies nun Bahnhöfe, deren Nebengleise nicht alle im regulären Betrieb ausgelastet sind, so dass man sie für außerplanmäßige Überholungen oder Kreuzungen nutzen kann, Strecken, die für Umleitungen genutzt werden können (am heutigen Tag fahren an meinem Fenster wieder zahlreiche wegen Bauarbeiten zwischen Wächtersbach und Salmünster umgeleitete ICE vorbei, die sonst den Weg über Fulda nähmen) oder sonstige Kapazitäten für Trassen, die über die Fahrplanvorgaben hinausgehen.

Über die angemessenen Ausmaße solcher Reserven bei Rollmaterial und Netz scheiden sich jedoch die Geister.
Im Zusammenhang mit der genannten Aschewolke konnte man tatsächlich Beschwerden des Tenors lesen, die Bahn (damit ist in diesem Falle wie so oft ausschließlich die DB gemeint) habe doch eigentlich genügend Rollmaterial vorzuhalten, um in solchen Fällen (wie sie womöglich weniger als einmal im Jahrhundert vorkommen) das gesamte Verkehrsaufkommen der innerdeutschen Luftfahrt aufnehmen zu können, ohne dass es zu größeren Unannehmlichkeiten kommt. Hierzu müsste über den Daumen gepeilt eine Überkapazität von 15 bis 30 % an Rollmaterial vorgehalten werden, und selbstverständlich müsste entweder durch zusätzliche MitarbeiterInnen oder durch sehr flexiblen Umgang mit Überzeit das entsprechende Personal, um dieses zu fahren, da sein, von den Trassen für die ganzen Zusatzzüge ganz zu schweigen. Bei den ohnehin schmalen Margen im eigenwirtschaftlichen Eisenbahnverkehr wäre das alles nicht gerade einfach.
Weniger befremdlich erscheint die regelmäßig gehörte Klage darüber, dass an Spitzenverkehrstagen Züge nicht verlängert beziehungsweise keine Zusatzzüge eingelegt würden. Warum man nicht einfach einen zusätzlichen Wagen anhängen oder einen Verstärkerzug kurz vor oder nach dem Regelzug fahren lassen kann, erschließt sich häufig nicht. Die verschiedenen Gründe haben zwar alle ihr Gewicht: Jeder Zusatzwagen muss einrangiert werden, was bei lokbespannten Zügen heutzutage das Abhängen der Lok oder des Steuerwagens erfordert, denn die allermeisten Züge sind Wendezüge; zusätzliche Triebzüge lassen sich zwar ohne solche Mühen ankuppeln, dafür sind die möglichen Abstufungen in der Fahrgastkapazität gröber; ein Personenzug kann in der Regel nicht länger sein als der kürzeste Bahnsteig, an dem er halten muss, und länger als 400 Meter darf er in Deutschland gar nicht werden; und jedes Zusatzfahrzeug muss am Ende seiner Einsatzstrecke ja auch wieder dahin zurück, wo es herkommt.

Auch wenn gerne behauptet wird, die DB hielte keinerlei Reserven gleich welcher Art vor, gibt es in größeren Eisenbahnknoten so genannte Knotenpunktreserven, die aus Loks und Fernverkehrswagen etwas älteren Datums bestehen. Das ist aber auch schon nahezu alles. Bei anderen Eisenbahnen ist die Lage wohl eher noch prekärer, da die DB das einzige deutsche Unternehmen seiner Branche ist, das nennenswerte Überbestände an Fahrzeugen hat. Ob und wie man darüber hinaus mehr Flexibilität in das Angebot der Bahnen bringen kann, ohne die Kosten unvertretbar zu steigern, ist fraglich. Dass viele Vertreter radikaler Meinungen in diesem Punkt auch fordern, Eisenbahn dürfe sich grundsätzlich nicht als Wirtschaftsunternehmen verstehen, sondern müsse den erheblichen Zuschussbedarf akzeptieren, der mit der Vorhaltung »todsicherer« Reserven einher geht, ist allerdings bezeichnend.
Wenn man fordert, dass Bahnen große Reserven vorhalten müssen, dann sollte man sich auch überlegen, wie das nachhaltig zu finanzieren ist, sonst gibt es irgendwann eben nicht nur keine Reserven, sondern keine Eisenbahn mehr. Und eine nachhaltige Finanzierung kommt in Deutschland unter den gegenwärtigen Verhältnissen eben nicht aus dem Staatshaushalt, wie die Kapriolen bei der Infrastrukturbezuschussung in den letzten Jahren deutlich gezeigt haben sollten.

Bild: Jeramey Jannene (»compujeramey«) bei Flickr (Details und Lizenz)

Freitag, 9. April 2010

Taktwechsel

Wie am Ausfall des zweiten Prellblog in Folge zu erahnen, muss ich mich derzeit ein bisschen sortieren, was unter anderem damit zusammenhängt, dass meine Wochenarbeitszeiten sich ändern und ich im kommenden Semester eine Lehrveranstaltung anbiete. Der planmäßige Erscheinungstag wird sich ändern, eventuell wird es auf Sonntag oder wieder Donnerstag hinauslaufen.