Montag, 22. Februar 2010

123: Verkehrsbetrieb

Vor genau zwei Jahren schrieb ich im Prellblog 49:
Man sieht, dass es auch irgendwann Prellblog-Artikel [...] zu der abstrakten, aber wichtigen eisenbahnerischen Unterscheidung zwischen Verkehr und Betrieb wird geben müssen.
Zwei Jahre sind eine lange Zeit, aber jetzt soll es so weit sein: Was ist also der abstrakte, aber wichtige eisenbahnerische Unterschied zwischen Verkehr und Betrieb?

Verkehr ist das, was mit der Nutzwirkung des ganzen Bahnsystems nach außen zu tun hat. Verkehr ist Beförderung von Fahrgästen und Transport von Gütern.
Betrieb dagegen ist alles, was nicht Verkehr ist. Letztlich ist Betrieb dafür da, dass Verkehr stattfinden kann.
Veranschaulichen lässt sich das beispielsweise an Störungsgründen: Verspätet sich ein Zug zehn Minuten, weil er auf Anschlussreisende wartet, ist das eine Verspätung aus verkehrlichen Gründen. Verspätet er sich zehn Minuten, weil die Lokführerin wegen eines Softwareproblems die Lok neu starten muss, ist der Grund betrieblich. Verspätet sich der Zug, weil zunächst die Ausfahrt eines anderen Zuges abgewartet werden muss, muss man wieder differenzieren: Abwarten, weil Weichenverbindungen und Fahrstraßenlogik des Stellwerks dies erzwingen - betrieblich; Abwarten, weil der andere Zug höher priorisiert ist und daher trotz Verspätung vor dem anderen Zug auf die Strecke soll, um nicht noch mehr Verspätungsminuten einzusammeln - verkehrlich.

Die Unterscheidung ist unter anderem deswegen bedeutsam, weil sie klar zeigt, dass alles, was sicherheitsrelevant ist, auf der Betriebsebene liegt (dies gilt wohlgemerkt nicht in allen Eisenbahnsystemen aller Länder!). Das System der Stellwerke und Signale beispielsweise, mit denen betrieblich gesichert wird, dass Züge nicht kollidieren oder entgleisen, ganz gleich wann und wo sie fahren, ist getrennt von dem System der Fahrpläne und Abfertigungen, mit denen verkehrlich geregelt ist, wo und wann Züge fahren sollen. In den Betriebszentralen gibt es daher auch unterschiedliche Arbeitsplätze für die Fahrdienstleiter, die sich um den sicheren Betrieb kümmern, und den Disponenten, die zum Beispiel darüber entscheiden, wann Züge aus Verkehrsgründen außerplanmäßig überholen, warten oder ausfallen. Die Trennung lässt sich auch zumindest in Teilaspekten darin ausmachen, dass der Fahrplan auf dem Führerstand eines Zuges grundsätzlich aus zwei Teilen besteht: einem Heft mit den Betriebsdaten der Strecke (vor allem den zulässigen Geschwindigkeiten) und einem Heft mit den einzuhaltenden Fahrzeiten. (Letzteres enthält allerdings auch technische Daten des Zuges und damit auch betriebliche Angaben, daher die Rede von Teilaspekten.)

Zum Betrieb gehört auch, dass bestimmtes Rollmaterial, also Triebzüge oder Zusammenstellungen von Loks und Wagen, bestimmte Zugverbindungen in bestimmten Reihenfolgen hintereinander realisiert, dass das Material also in bestimmter Weise umläuft. Diese in speziellen Umlaufplänen geregelten Abfolgen berücksichtigen auch, dass zu Beginn eines Umlaufs der Zug erst einmal vom Abstellgleis oder der Werkstatt zur ersten Abfahrts-Zugangsstelle fahren und er am Ende des Umlaufs genauso wieder aufs Abstellgleis oder in die Werkstatt fahren muss; da diese Fahrten keinen verkehrlichen Nutzen haben, heißen sie konsequent auch Betriebsfahrten.
Wenn, wie zum Beispiel bei ICE-Zügen, die Wartung bestimmter Baureihen zwecks höchster Effizienz stark zentralisiert ist, ist die Bildung von Umläufen eine Wissenschaft. Als Fahrgäste braucht uns dies jedoch nicht zu interessieren - uns erreicht lediglich der Fahrplan als die aus dem Wasser des Betriebs tauchenden, verkehrlichen Spitzen der Umlaufplanung. Manchmal allerdings geht das Wasser zurück und der Unterbau wird sichtbar. Dann erleben wir hochgradig gestörte Umläufe aus technischen (also betrieblichen) Gründen wie derzeit im ICE-Verkehr oder bei der Berliner S-Bahn; diese führen wiederum dazu, dass, damit nicht unzumutbar viele Leute nicht befördert werden können (also aus verkehrlichen Gründen), Ersatzzüge eingelegt werden müssen.

Bild: David Ooms bei Flickr (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

Montag, 15. Februar 2010

122: Einer geht (noch)

Alkohol in der Eisenbahn ist eine Landplage. Das wissen wir alle. Bereits die nur einige Phon zu laut redenden und ansonsten völlig unauffälligen Neunzehnjährigen sorgen für Erleichterung, wenn sie aussteigen und mehrere leere 0,33er-Fläschchen »Beck's Green Lemon« im Netz an den Sitzlehnen vor ihnen zurücklassen. Der peinlich kostümierte, Asti Cinzano aus Plastikbechern konsumierende Junggesellinnenabschied ist kaum noch zu tolerieren. Die zwanzigköpfige Delegation eines Kegelclubs sorgt bereits für steigende Anteile Angst und Schrecken, spätestens, wenn die Gruppe nicht geschlossen sitzen kann und der Kontakt zwischen den versprengten Abteilungen durch lauthalses Johlen und Hin- und Herwerfen von Fläschchen mit »Kleiner Feigling« aufrechterhalten wird. Bei betrunkenen Fußballfans in Kompaniestärke traut sich ohnehin kein »normaler« Fahrgast mehr, irgendwie sichtbar zu werden, und hofft zwischen Böhse-Onkelz-Beschallung aus dem Ghettoblaster, gewaltbereiten Säuferdialogen und Kümmerling-Wetttrinken darauf, dass entweder der Zielbahnhof erreicht oder die Polizei aktiv werde. So weit, so gut.
Andererseits leben wir in Mitteleuropa nun auch in etwas, was man einmal »durchalkoholisierte Gesellschaft« genannt hat; die erdrückende Mehrheit von uns trinkt regelmäßig zumindest kleinere Mengen Alkohol, hat in einem für die Gepflogenheiten anderer Weltteile unerhört jungen Alter einen einigermaßen verantwortungsvollen Umgang damit erlernt und fährt zuweilen auch und gerade deswegen Eisenbahn, um in Ruhe ein Feierabendpils oder ein Glas Wein im Speisewagen zu trinken, oder um An- und Abfahrt zu zivilisierten, aber dennoch mit Alkoholkonsum einhergehenden Veranstaltungen ohne Verkehrsgefährdung zu bewältigen.

Kein Wunder, dass die Diskussion darüber, ob es erlaubt sein soll, alkoholisiert Bahn zu fahren beziehungsweise in Zügen selbst Alkohol zu konsumieren, hohe Wellen schlägt. Die Nulltoleranzstrategie, die beispielsweise Greyhound, der amerikanische Quasimonopolist im Fernbusverkehr, an den Tag legt (kein Alkohol, keine Drogen, keine Waffen, kein Fluchen, kein Unfug), wäre hierzulande schwer umzusetzen, möchte man meinen. Nicht anders verhält es sich mit der Politk des amerikanischen Monopolisten im Eisenbahnfernverkehr: bei Amtrak ist es zumindest auf dem Papier verboten, eigenen Alkohol an Bord zu konsumieren; man ist auf das teure und beschränkte Angebot im Barwagen angewiesen.
»Moderate« Verhaltensregeln sind nicht einfacher umzusetzen. Nicht nur, dass man schlecht kontrollieren kann, wie alkoholisiert Fahrgäste sein dürfen, da der Blutalkoholpegel weniger eine Rolle spielt als das potenzielle störende Verhalten; es bringt auch nichts, irgendwelche Beschränkungen auf mitgebrachte Getränke zu legen, denn wie jeder weiß, der einmal irgend ein größeres Rockfestival besucht hat, fühlen sich Spirituosen und lauwarme Mixgetränke in der Anonymität undurchsichtiger Getränkekartons durchaus wohl. Jedes Mitbringen von Flüssigkeiten zu verbieten kann sich vielleicht die Stadt New York bei ihren staubtrockenen Silvesterfeierlichkeiten auf dem Times Square erlauben, aber sonst auch niemand.

Insofern war es einerseits eine Überraschung, dass überhaupt ein deutscher Eisenbahnbetreiber Regeln für Alkoholgenuss an Bord einführte und auch noch gedachte, diese umzusetzen; dass diese Regeln dann aber die Gestalt einer Nulltoleranzstrategie annahmen, war keine Überraschung mehr. In den bekanntlich bemerkenswert gepflegten Zügen des allseits als vorbildlich anerkannten niedersächsischen Regionalexpress-Betreibers Metronom darf gar nicht mehr getrunken werden. Die Nutzung in alkoholisiertem Zustand ist wohlgemerkt immer noch erlaubt.
Metronom hat es nicht dabei bewenden lassen, sondern offensiv versucht, eine Generaldebatte über Alkohol im ÖPNV und in der sonstigen Öffentlichkeit anzustoßen. Da es meines Wissens trotz aller Medienaufmerksamkeit für das Thema keine Belege dafür gibt, dass heutzutage signifikant mehr öffentlich getrunken wird als früher, aber es dennoch unbestreitbar bleibt, dass alkoholbedingte Belästigungen, Vandalismus und Türstörungen im Bahnverkehr ein größeres Thema sind als früher, zeigt dies vor allem eines: Eisenbahn fahren rückt wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft - eben auch der durchalkoholisierten.

Bild: Clare Wilkinson (»Between a Rock«) bei Flickr (vollständiges Bild, Details und Lizenz)

Dienstag, 9. Februar 2010

*schneuz*

Ich bin noch kränker als letzte Woche und außerdem ist derzeit Großeinsatz (Klausurenwoche und Chorkonzert). Das Prellblog verzögert sich daher weiter. Ich bitte um Verständnis und gehe jetzt mal mit Mallebrin gurgeln, damit ich zur Generalprobe wieder Stimme habe.

Dienstag, 2. Februar 2010

*hust*

Wegen leichten Kränkelns in Kombination mit Zeitdruck verschiebt sich das gestern fällig gewesene Prellblog um einige Tage.