Montag, 1. Juni 2009

96: Grüne Ziegen

Die großen Themen der Automobilindustrie, einmal abgesehen vom schieren Überleben, waren in den letzten Monaten und Jahren alternative Antriebstechniken: Hybridantriebe, Elektroantriebe, Wasserstoffantriebe und so weiter.

Bei der Eisenbahn scheint es diesbezüglich allerdings ziemlich ruhig geblieben zu sein. Wo bleiben die Hybridlokomotiven und Wasserstofftriebzüge?

Zuallererst können ganz gewöhnliche elektrische Triebfahrzeuge schon vieles, was man auf der Straße erst mit all der neuen Technik erreichen will: Verwertung von Bremsenergie beispielsweise gibt es schon ungefähr so lange, wie es elektrische Bahnen gibt. Der Strom wird dabei eben in die Fahrleitung zurückgeleitet (daher auch der Name Rückspeisung), nicht auf dem Fahrzeug selber zwischengelagert. Dabei gibt es im Straßenbahnbereich mittlerweile serienreife Konzepte, bei denen es eben doch einen Energiespeicher im Fahrzeug gibt (Siemens arbeitet mit einer Kombination aus Akkumulatoren und Kondensatoren), um zum Beispiel zu Nutz und Frommen von Denkmalschutzbehörden und Kommunalpolitik kurze Strecken ohne »hässliche« Oberleitung fahren zu können. Ebenfalls bei der Straßenbahn kommen Speichersysteme in den stationären Stromversorgungsanlagen zum Einsatz, die zum Beispiel mit Schwungrädern überschüssigen rückgespeisten Strom einsammeln, der nicht verbraucht werden kann, weil beispielsweise nicht genügend Bahnen im Netz anfahren.
Auch mit erneuerbaren Energien können elektrische Züge heute schon fahren, wenn die Betreiber ihren Fahrstrom bei entsprechenden Stromversorgern kaufen. Die Deutsche Bahn möchte in Zukunft gegen Aufpreis kohlendioxidneutrale Fahrten anbieten, für die der Strom bei Wasserkraftwerken gekauft wird. Mit Ökostrom betriebene Straßenbahnen gibt es schon länger.

Spannender wird es bei den energieeigenen Fahrzeugen ohne Fahrleitung.
Eine Zeitlang war es sehr in Mode, Diesellokomotiven und -triebwagen mit Rapsöl fahren zu lassen. Dies scheint nicht mehr ganz so populär, nachdem Biotreibstoffe so eine schlechte Presse hatten. Es lassen sich aber auch andere Ansätze finden, um Ressourcen einzusparen - bei Rangierloks beispielsweise. In Nordamerika, wo die elektrische Kraftübertragung der dominante Standard ist, etablieren sich allmählich sogenannte »Genset switcher«, Lokomotiven, die nicht einen riesigen Dieselgeneratorsatz haben, der die ganze Zeit durchorgelt, sondern mehrere kleine, die nach Bedarf ein- oder ausgeschaltet werden können. Auf die Spitze getrieben wird das Konzept von der »Green Goat«, einer Rangierlok, die nur einen verhältnismäßig winzigen Dieselgenerator und ein gewaltiges Batteriepaket hat. Besonders geeignet ist eine solche Lok für Einsätze, bei denen nur ab und zu kurz die volle Kraft gebraucht wird und dann wieder längere Zeit Ruhe ist, um die Batterien zu laden, also zum Beispiel, um auf Rangierbahnhöfen Wagen über den Ablaufberg zu drücken - eben als »Bergziege«, daher der merkwürdige Name. Zupass kommt dem Entwurf, dass Batterien extrem schwer sind und für Rangierloks eine möglichst große Achslast erwünscht ist.
Bei der dieselhydraulischen Kraftübertragung wird es naturgemäß schwieriger. Die hier als Technologieführerin wirkende Firma Voith hat allerdings auch schon ein Strömungsgetriebe in der Hinterhand, dessen Bremsfunktion nicht nur Wärme erzeugt wie bisher üblich, sondern Energie durch Komprimieren von Stickstoff speichert und über eine Art Abwärmedampfmaschine auch Strom erzeugt.

Um die Grünheit von Eisenbahntriebfahrzeugen muss man sich also auf absehbare Zeit keine Gedanken machen - da geschieht so einiges. Und wenn es unbedingt sein muss, auch mit Wasserstoff: Die erste winzige Bergbaulokomotive mit Brennstoffzellenantrieb fuhr bereits 2002 in Val d'Or (Québec), in Japan gibt es Prototypen, die bereits Fahrgäste transportieren; und DB, Alstom, Bombardier, Linde, Siemens und Ballard Power eröffnen in den kommenden Jahren ein Forschungszentrum für Hybrid- und Wasserstoff-Bahnantriebe im brandenburgischen Kirchmöser.
Bahntechnik mag mithin immer noch schenkeldicke Stahlteile und altmodisch viel Handarbeit bedeuten, aber schwarzblaue Qualmwolken sind nicht mehr Pflicht.

Bild: Mikko Itählati (»melancholic optimist«) bei Flickr (Details und Lizenz)

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