Freitag, 10. April 2009

91: Un cinquante, s'il vous plaît

In dem Lande, in dem man selbst als Eisenbahnliebhaber allein deswegen gerne mit italienischen Autos handeln würde, um die Firma dann »FIAT LUX« nennen zu dürfen, ist Eisenbahn eine wesentlich familiärere Sache als in Deutschland. Das in zirka anderthalb Stunden der Länge nach durchquerbare Netz der Staatseisenbahn CFL umfasst 65 Zugangsstellen auf weniger als dreihundert Kilometern Strecke, alle Fahrkarten sind Netzkarten und es gibt nur zwei Tarifstufen - 1,50 Euro für eine zwei Stunden gültige, 4 Euro für eine ganztägig gültige Fahrkarte (in der ersten Klasse 2,30 Euro beziehungsweise 6 Euro). Für die Tageskarte fällt gegebenenfalls ein Bordzuschlag von 1,50 Euro an. Alle Züge beginnen oder enden am wunderschönen Bahnhof der Hauptstadt, der nicht nur noch ein richtiges Bahnhofsrestaurant und ein hübsch ausgemaltes Tonnengewölbe in der Halle hat, sondern außerdem gerade auf allerhöchstem Niveau renoviert wird. (Beobachtung dabei: Die gemeine Schubkarre ist, zumindest bei Gebäudeentkernungen in Luxemburg, anscheinend von selbstfahrenden kleinen Muldenkippern mit Raupenketten aus Gummi abgelöst worden. So einen will ich auch mal fahren.)

Trotz der kleinen Dimensionen muss sich der luxemburgische Bahnbetrieb vor keinem anderen verstecken. Nicht nur, dass sich am Hauptstadtbahnhof Züge verschiedener Kategorien aus aller Herren Länder, oder doch zumindest aus Frankreich, Belgien und Deutschland treffen, und es eine hochschnelle TGV-Anbindung an Paris gibt; das Fahrzeugmaterial im Binnenverkehr, das unter anderem lokbespannte Doppelstockzüge von Bombardier (Bild) und gleichfalls doppelstöckige Triebzüge vom Erzkonkurrenten Alstom umfasst, ist hochmodern, der Fahrplan integriert vertaktet und das Internetangebot sowie der sonstige Service können sich sehen lassen. Netz und Fahrzeuge werden derzeit vollständig auf den europäischen Standard ETCS umgestellt, dessen flächendeckende Ausrollung in Deutschland noch Jahrzehnte auf sich warten lassen wird. 

Als nahezu völlig im Staatsbesitz befindliche Bahn mit (zumindest Quasi-)Monopol taugt die CFL zum Indiz, dass es nicht immer Wettbewerb sein muss, um Qualität zu erreichen. Die verkehrspolitische Wende, die mit den Demonstrationen gegen die Stilllegung der Nordbahn vor etwa zwanzig Jahren erreicht wurde und ihren jüngsten Erfolg mit dem Beschluss, eine Straßenbahnlinie in der Hauptstadt zu bauen, erreicht hat, zeigt aber, dass es auch und gerade dort, wo der Staat alle Fäden in der Hand hat, ohne Einmischung nicht geht (nebenbei haben Bürgerproteste 1977 auch in Luxemburg den Bau eines Atomkraftwerks verhindert).
Interessant ist, dass die CFL ebenso wie die schweizerischen Staatsbahnen im Ausland als Wettbewerber im Güterverkehr mit einer expansiven Strategie auftritt, in diesem Falle in einem Joint Venture mit dem luxemburgisch-indischen Stahlkonzern ArcelorMittal, und zwar mit dem Segen der traditionellen »tripartiten« Konsensdemokratie. CFL cargo soll in der Intention ganz offen der Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Schwerindustrie dienen und erledigt mittlerweile Verkehre von Frankreich, Spanien oder Italien bis nach Skandinavien. Über den Bettemburger Rangierbahnhof als Knotenpunkt werden sogar Einzelwagenverkehre erledigt, etwas, woraus sich viele Staatsbahnen größerer Länder bereits verabschiedet haben.

Bild: Redvers bei Flickr (Details und Lizenz)

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