Freitag, 27. Juni 2008

61: Auf ganzer Linie

Im Prellblog 58 habe ich grob beschrieben, wie Eisenbahnsignale funktionieren. Es handelt sich dabei um eine durchaus ausgereifte Technik, die, ausgestattet mit mancherlei Spitzfindigkeiten wie zum Beispiel automatischer Erkennung durchgebrannter Lampen, ein erhebliches Maß an Sicherheit garantiert.

Um sicherzustellen, dass nicht trotzdem etwas schiefgehen kann, gibt es auf den meisten Strecken außerdem eine sogenannte punktförmige Zugbeeinflussung, die dem Zug auf elektromagnetischem Wege gewisse, sehr beschränkte Informationen über die Stellung der Signale zukommen lässt und ihn gegebenenfalls zum Halten zwingt, wenn die Lokführerin irgend etwas übersehen oder falsch gemacht hat.

Fahren jedoch sehr schnelle oder sehr viele Züge, zeigen sich die Grenzen des Systems ortsfester Signale: Da man nicht regelmäßig davon ausgehen kann, dass Signalbilder immer bereits aus großem Abstand erkannt und befolgt werden, muss ein System auch sicher bleiben, wenn die Bremse immer erst direkt am Signal (oder eben von der Beeinflussung) gezogen wird. Das zwingt zu großen Signalabständen und damit großen Blocklängen oder aber zu komplexeren Signalsystemen, die beispielsweise für gleich mehrere Blöcke im voraus die erlaubte Geschwindigkeit anzeigen können. Die bringen wiederum Unsicherheit, weil das Personal kompliziertere vorbeirauschende Anzeigen erkennen und sich merken muss.
Ein prinzipiell schwierig zu lösendes Problem fester Signale ist es auch, dass einem Zug, der an einem Signal vorbeigefahren ist, nur durch ein weiteres Signal auf sichere Weise mitgeteilt werden kann, dass sich dessen Bild mittlerweile geändert hat. Falls zum Beispiel ein Vorsignal, das »Halt erwarten« zeigt, direkt nach dem Vorbeifahren auf »Fahrt« umschlägt, merkt das der Lokführer nicht und wird frühestens, wenn das entsprechende Hauptsignal strahlend grün in Sicht kommt, wieder beschleunigen. Das kostet Fahrzeit und reduziert Kapazitäten.

Für den Schnellverkehr sowie für sehr dicht befahrene Strecken (nicht nur die Münchner S-Bahn, sondern auch viele U- und Stadtbahnen) gibt es daher Systeme, die den Zug permanent mit einer Kontrollzentrale verbinden. Das derzeit in Deutschland vorherrschende ist die Linienzugbeeinflussung LZB, wie so vieles bei der Eisenbahn basierend auf bis aufs Letzte ausgereizter Technik der sechziger Jahre. Erkennen, ob eine Strecke LZB hat, kann man gut: In der Mitte des Gleises läuft ein ziemlich unscheinbares Kabel, das alle paar Meter an einer Schwelle festgeklemmt ist. Ein zweites Kabel läuft an einem Schienenfuß, und in regelmäßigen Abständen werden die beiden gekreuzt.
Die Kabel dienen als Sendeschleife; der Zug hat eine Antenne, die darüber Signale von der Zentrale empfangen und eigene Signale zurückschicken kann. Über die regelmäßigen Kabelkreuzungen und Radumdrehungszähler oder Bodenradar kann die Position des Zuges auf ein paar Meter genau bestimmt werden, und so ist die Zentrale in der Lage, zu wissen, wo überall Züge fahren, und ihnen im Hinblick auf die Einteilung der Strecke in Blöcke ziemlich zeitig mitzuteilen, wann und wo sie ihre Geschwindigkeit ändern müssen. Auf dem Führerstand werden zwei Werte angezeigt: Eine Zielgeschwindigkeit und die verbleibende Strecke, bis diese erreicht sein muss. Bei den schnellsten Zügen sind dabei Zielentfernungen von weit über zehn Kilometern anzeigbar, was sogar bei 300 km/h immer noch zwei Minuten entspricht. Im Vergleich dazu, womöglich je fünf oder sechs Blockzustände gleichzeitig anzeigende Signale zu beobachten und im Geiste zu überschlagen, wann und wie zu bremsen oder zu beschleunigen ist, sind solche Kommandos wie »in 2600 m auf 240 km/h wechseln« im besten Sinne kinderleicht. Nicht zuletzt haben die meisten LZB-geführten Züge eine automatische Steuerung (die so genannte AFB), die es erlaubt, den Zug prinzipiell vollautomatisch vom Kontrollrechner aus fahren zu lassen.

So etwas macht zwar seit Kurzem die neue fahrerlose Nürnberger U-Bahn, die ebenfalls mit LZB fährt; aber normalerweise verlassen sich Lokführer nicht auf die Automatik, die eher unsanft bremst und beschleunigt. Wer die Strecke kennt und dazu zu jedem Zeitpunkt genau Bescheid weiß, wieviel Strecke bei welcher erlaubten Geschwindigkeit vor ihm liegt, kann energiesparend und ohne harte Manöver fahren, was genau das beabsichtigte Ziel ist.
Nebenbei gibt es mindestens bei der DB noch einen davon unabhängigen Apparat, der auf dem Führerstand mitteilt, wann und wo die Motoren eines Zuges abgeschaltet werden können, ohne dass durch das antriebslose Rollen eine Verspätung entsteht; der hat aber mit der Sicherheit nichts zu tun, sondern nur mit den Energiepreisen.

Dies ist der vierte Teil einer losen Artikelserie zum Thema Leit- und Sicherungstechnik.

Bild: Manfred Gorus bei Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

Freitag, 20. Juni 2008

60: Die Pioniere

Auch wenn ich Rheinland-Pfalz als Bundesland ganz ehrlich wesentlich weniger abgewinnen kann als meiner derzeitigen Heimat Hessen, fühle ich mich ihm als gebürtiger Pfälzer doch durchaus verbunden. Darum soll es heute um etwas gehen, was nicht nur ich für eine der größten Errungenschaften in diesem schönen Lande halte: Den Rheinland-Pfalz-Takt.

Das Land ergriff, als nach der Bahnreform die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr auf die Länder überging, die Gelegenheit beim Schopfe und führte 1994 einen integrierten Taktfahrplan (ITF) ein.
ITF heißt in seiner populärsten Form, dass Züge oder auch andere Verkehrsmittel (Busse oder Straßenbahnen) sich zu bestimmten Zeiten an bestimmten Knotenpunkten so treffen, dass dort ein Übergang zwischen allen oder zumindest vielen zusammenlaufenden Linien besteht. Dies hat auf den Fahrplan viele Auswirkungen, unter anderem die, dass Linien auf leicht merkbare Grundtakte (typischerweise Stundentakt) umgestellt werden. Insgesamt war der Rheinland-Pfalz-Takt ein recht mutiges Unterfangen, da die Menge der Zugleistungen um die Hälfte gesteigert wurde. Die Nutzung verdoppelte sich dafür glatt - ein Musterbeispiel für das, was man angebotsorientierte Verkehrspolitik nennt.
Und das alles, obwohl gewisse Kernpunkte des Taktkonzeptes meines Wissens bis heute nicht stehen, wie zum Beispiel der schnelle Regionalexpress Pirmasens-Bingen.

Eine mittelbare Auswirkung des Taktes war, dass Planungen für weitere Streckenstilllegungen in der Schublade blieben und Nebenbahnen wie die Lautertalbahn ausgebaut und attraktiviert wurden; sogar Reaktivierungen ruhender Strecken hat es gegeben. Auf vielen Linien wurden kleinere, aber wirkungsvolle Maßnahmen durchgeführt, um Verbindungen zu verbessern; so wurden Bahnhöfe auf eingleisigen Strecken so umgebaut, dass zwei kreuzende Züge gleichzeitig und nicht erst nacheinander einfahren können.
Teilweise ist sogar der Überland-Busverkehr in den Taktfahrplan eingebunden.

Vorgestern stellten die Schienennahverkehrszweckverbände Nord und Süd (der südliche wird übrigens vom Landrat meines Heimatkreises geführt, der sich auch erfolgreich für die Erhaltung der Glantalbahn als Draisinenstrecke eingesetzt hat) die Zukunft des Taktes in Form des Zielangebots für 2015 vor. Angesichts der anstehenden Ausschreibungen von Verkehren im Wettbewerb geht man davon aus, eine Ausweitung der Bruttoverkehrsleistung um 20 % ohne erhöhten Mitteleinsatz zu erreichen. Inwieweit man das als ein offizielles Anerkenntnis sehen kann, dass man DB Regio derzeit für um ein Sechstel überteuert hält, mag jeder für sich entscheiden.
Im Zusammenhang mit diesen Ausweitungsplanungen werden in Koblenz und Trier neue Taktknoten eingerichtet, der in Kaiserslautern verbessert, es soll erheblich bessere Anbindungen von Luxemburg, Saarbrücken, Mannheim, Frankfurt, Straßburg und Thionville geben und Dutzende neuer Haltepunkte; aber vor allem sind Reaktivierungspläne in ungeahntem Umfang in den Präsentationen zu finden. Neben der ja schon beschlossenen Wiedereröffnung der Hunsrückquerbahn zum Flughafen Hahn finden sich da die Verlängerung des regulären Schienennahverkehrs in der Eifel nach Ulmen statt bisher nach Kaisersesch, die Aartalbahn, ein alter Streckenast bei Trier, die Direktverbindung Worms-Kaiserslautern durchs Zellertal und die Schienenanbindung vom Baumholder, die in letzter Zeit nur noch vom Militär genutzt wurde. Die S-Bahn RheinNeckar soll über Homburg nach Zweibrücken verlängert werden.

Um dies nicht bei einer reinen Werbeeinlage für die rheinland-pfälzische Verkehrspolitik zu belassen, seien einige Erkenntnisse hieraus gezogen.
Zum ersten ist der "Rückzug aus der Fläche" offensichtlich mit genügend politischem Willen umkehrbar, unabhängig davon, wer womit wie an die Börse will. Zum zweiten ist ein integrierter Taktfahrplan ebenfalls ganz offensichtlich unabhängig von den Betreibern zu organisieren, solange die öffentliche Hand den Fahrplan macht, und das ist im Nahverkehr nun einmal der Fall. Zum dritten sind für einen Ausbau des Verkehrs keine gigantischen Mittelsteigerungen erforderlich, wenn man den Wettbewerb ausnutzt und außerdem konsequent angebotsorientiert davon ausgeht, dass Kapazitätssteigerungen auch die Erlöse steigern; da bei Attraktivierungen oder gar Wiedereröffnungen von Bahnverbindungen regelmäßig die Fahrgastzahlen alle Prognosen sprengen, ist hier in diesem Falle eine rosarote Brille durchaus als realistische Einschätzung geboten.
Man kann es verkürzt so sagen: Die günstigste Nahverkehrspolitik ist in den allermeisten Fällen der Ausbau.

Der Rheinland-Pfalz-Takt hat fast 14 ungeheuer erfolgreiche Jahre hinter sich und reihenweise Nachahmer gefunden, so den Drei-Löwen-Takt und den Bayern-Takt; für die Jahre bis und nach 2015 bleibt nur, ihm noch einmal mindestens genauso großen Erfolg zu wünschen.

Bild: Franco Folini bei Flicker (Details und Lizenz)

Donnerstag, 12. Juni 2008

59: Ach und Weh

Heute hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) seinen Verkehrsvertrag mit DB Regio NRW, einer Deutsche-Bahn-Tochter, die Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen anbietet, fristlos gekündigt. Der Anlass war, dass die DB entgegen der Vertragsbestimmungen statt 90 % weniger als 20 % aller Spätzüge durch Sicherheitspersonal bestreifen ließ, aber angedroht hatte der VRR diese Maßnahme schon seit Januar, insofern ist es keine Überraschung.

Das Wort »Verkehrsvertrag« hat im deutschen Schienenpersonennahverkehr ein besonderes Rüchlein. Zwar werden auch durch Ausschreibung vergebene Verkehre auf Basis eines Vertrages gebracht, aber normalerweise bedeutet »Verkehrsvertrag« immer freihändige Vergabe, und freihändige Vergabe bedeutet bei der richtigen Eisenbahn normalerweise Vergabe an die DB. Verkehrsverträge sind sozusagen die letzten Ausläufer des früheren Monopols der Bundesbahn, denn üblicherweise greifen sie nur dort, wo es bisher noch keine Ausschreibungen gegeben hat. Die meisten Verkehrsverträge legen auch eine Art schrittweisen Ausstieg in Form des sukzessiven Ausschreibens von Teilnetzen fest. Irgendwann werden alle Nahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden, aber bisher ist der DB immer noch ein solider Teil des deutschen Schienenverkehrs freihändig und langfristig überantwortet.
Manchmal funktioniert das nicht ganz so gut; die Servicequalität von DB Regio NRW ist legendär schlecht. Auch die Umstände, unter denen diese Verträge geschlossen werden, sind manchmal merkwürdig: Es ist zum Beispiel ein mehr oder minder offenes Geheimnis, dass zum Beispiel der letzte Verkehrsvertrag in Schleswig-Holstein das Unterpfand für die schnelle Inangriffnahme der Elektrifizierung Hamburg-Lübeck-Travemünde war. In Rheinland-Pfalz wurde ganz offen in der Presse gelobt, dass der Verkehrsvertrag die DB motiviere, Wartung und Ausbau im Land zu intensivieren.
Dass da irgend etwas nicht richtig läuft, ist unschwer zu erkennen. Ganz nebenbei ist aus dieser Gemengelage auch abzulesen, dass die DB in absehbarer Zukunft nicht mit steigenden Marktanteilen im Nahverkehrsgeschäft rechnen kann. Das muss nicht unbedingt schlecht sein; es könnte zum Beispiel zu erwarten sein, dass DB Regio sich, was den Service angeht, aufrafft, und Anstalten macht, Netto- oder Bonusverträge abzuschließen

Im VRR-Gebiet hat es nun aber zuerst einmal geknallt; die DB wird zunächst auf Basis verwaltungsrechtlichen Zwanges (unter »Auferlegung«) die Verkehre weiterfahren, bis diese stufenweise im Wettbewerb vergeben werden. Nach dem Sieg, den es für die DB dargestellt hat, als der letzte Mitinteressent aus dem bisher größten Vergabeverfahren, nämlich dem für die S-Bahn Stuttgart, ausgeschieden ist, kommt also ziemlich postwendend ein heftiger Schlag.
Man wird sich darauf einstellen können, dass viele Vertreter verschiedenster Gremien und Unternehmen in den nächsten Tagen viel öffentlich zetern werden. Die Drohung mit verloren gehenden Arbeitsplätze wird wohl eine große Rolle spielen.
Da ein Eisenbahnsystem aber nicht nur kein Freilichtmuseum, sondern auch keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist, halte ich den Schritt des VRR grundsätzlich für richtig.

Und noch ganz andere Schatten zeichnen sich am Horizont ab: Ende April hat beispielsweise die Havelländische Eisenbahn den alten, teilweise stillgelegten Rangierbahnhof Wustermark mit insgesamt knapp 33 Kilometern Gleisen gekauft, explizit auch, um dort Züge zu bilden. Das Monopol der DB auf große Rangierbahnhöfe - nach mancher Ansicht ein Geburtsfehler der Bahnreform - ist damit natürlich noch nicht Geschichte, hat aber zumindest eine kleine Delle bekommen.


Bild: Mathias Pastwa bei Flickr (Details und Lizenz)

Sonntag, 8. Juni 2008

Sonderzug 1: Bahn und Bier

Gastbeitrag von Ulrich Schmidt

Die Eisenbahn existiert natürlich nur in Wechselwirkung zu ihrer Umwelt. Auf eine davon möchte ich näher eingehen: Bahn und Bier. Ich könnte auch über andere Themen schreiben: Zug und Zuckerrübe oder auch ICE und Eis. Aber das Verhältnis von Bahn und Bier ist doch, besonders für mich, ein besonderes.


Da ist erst einmal das Bier als Transportgut. Allgemein bekannt ist, dass die traditionell als erste deutsche Eisenbahn angesehene Bayerische Ludwigs-Bahn 1836 als erste zahlende Fracht zwei Fässer Bier transportierte. Aber auch danach war es bis Mitte des 20. Jahrhunderts für größere Brauereien selbstverständlich, über ein Anschlussgleis angebunden zu sein. Heute spielt der Bahntransport bei Bier in Deutschland keine Rolle mehr. Ausnahme ist die Warsteiner Brauerei, die ihre Exporte Richtung Italien über die Bahn abwickelt. Die dort tätige Westfälische Landes-Eisenbahn hat für diesen Zweck eine moderne Diesellok WLE 21 im Warsteiner Design lackiert. Es gab wohl auch Bestrebungen der Oettinger-Gruppe, an ihren größeren Standorten Anschlussgleise zu reaktivieren. Das Ergebnis ist nicht bekannt. Im Gegensatz dazu nutzen die jeweils größten Brauereien Österreichs und der Schweiz ihr Anschlussgleis aktiv auch für Biertransport.
Ein weiterer Blickwinkel ist das Hobby. Einerseits bieten die Modellbahnhersteller gern auch eine Brauerei als Bausatz an, der auf der Anlage natürlich weniger Platz verbraucht als beispielsweise eine Ölraffinerie. Auch Tank- und Kühlwagen werden als Modelle angeboten. Die als Zugabe zu Bierkästen abgegebenen Modelle orientieren sich weniger am Original, sondern sind meist mit dem jetzigen Brauerei-Logo bedruckt. Bilder dazu findet man natürlich auf entsprechenden Seiten (zum Beispiel spurn-bierwagen.de). Aber auch die umgekehrte Kombination gibt es: Sammler von Bierdeckeln, Bieretiketten und anderen Brauereiwerbeartikeln, die sich auf Eisenbahn-Motive spezialisiert haben. Einer davon bin ich.
Ein dritter Aspekt ist die Versorgung der Reisenden mit Bier. Selten gibt eine so langfristige Lieferbeziehung wie zwischen der Radeberger Brauerei und der Mitropa. Seit der Gründung der Mitropa 1916 bis zum Verkauf der Marke durch die Deutsche Bahn AG 2004 kam das Bier in den Speisewagen von Radeberger. Anschließend wurden die Bierlieferungen ausgeschrieben, wobei der Imagegewinn für die Brauereien sicherlich größer ist als der finanzielle. Bis Ende 2007 hatte Warsteiner die Gnade Bier für Speisewagen liefern zu dürfen, seit Anfang diesen Jahres der Konzern InBev mit der Marke Beck’s.
Zur Vollständigkeit sei noch die teilungsbedingt existierende Deutsche Schlaf- und Speisewagengesellschaft (DSG) erwähnt, die 1949 gegründet und nach der Wiedervereinigung von der Mitropa übernommen wurde. Da bei der DSG alles seine westdeutsche Ordnung haben musste, wurde durch die Brauereien (zum Beispiel DAB) das Bier für die Mitarbeiter (DSG-Personalbier) besonders gekennzeichnet.
Abschließend möchte ich auf die aussterbende Spezies der Bahnhofskneipen hinweisen. Den Arbeiter, der nach Feierabend mit dem Zug aus der Stadt aufs Land fährt, am heimatlichen Bahnhof seine ein, zwei Feierabendbiere trinkt und nach Hause radelt, gibt es kaum noch. Der heutige Angestellte parkt sein Auto auf dem P+R-Parkplatz oder fährt gleich die ganze Strecke zwischen Büro und Reihenhaus mit dem Auto.
In den letzten Jahren hat man einzelne Bahnhöfe als Standorte für Kleinbrauereien entdeckt. Stellvertretend sei die Gosebrauerei im Bayerischen Bahnhof in Leipzig genannt. In Berlin wird in zwei der ursprünglich 731 Stadtbahnbögen, die sich vom Ostbahnhof bis nach Charlottenburg erstrecken, Bier gebraut. Lemkes Brauhaus befindet sich am S-Bahnhof Hackescher Markt und Brewbaker am S-Bahnhof Bellevue.
Fehlt nur noch eine Brauerei, die Eisenbahn heißt. Gibt es auch: in Brasilien (www.eisenbahn.com.br)!

Bild: Autor

Donnerstag, 5. Juni 2008

58: Rot, gelb, grün

Weil es eingleisige Strecken (siehe Prellblog 52) und Blockeinteilungen (siehe Prellblog 53) gibt, sowie ganz allgemein weil keine zwei Züge gleichzeitig dieselbe Stelle durchfahren können, braucht man eine Möglichkeit, Zügen mitzuteilen, wo sie gegebenenfalls anzuhalten haben und wann sie wieder weiterfahren dürfen. Das Weiterfahren kann dabei je nach eingestelltem Fahrweg unterschiedlich schnell erfolgen, weil zum Beispiel Weichen abzweigend nicht so schnell befahren werden können wie im Hauptstrang. Praktischerweise macht man all diese Mitteilungen durch ortsfeste Einrichtungen und nicht durch Zuruf oder Funk, da es ein nichttriviales Problem ist, die Position eines Zuges präzise zu bestimmen.

Diese Einrichtungen heißen Signale, und oft hält man diese für so etwas Ähnliches wie Verkehrsampeln. Zwar sind die Farben annähernd dieselben, aber damit hört die Ähnlichkeit auch schon auf. Das in Deutschland seit 1993 eingeführte Standard-Signalsystem, und nur um dieses soll es hier gehen, bringt Signale mit einer beeindruckenden Vielfalt von bis zu neun Lampen verschiedener Größe und bis zu zwei Digitalanzeigen hervor, die noch erheblich mehr anzeigen können als nur ein grünes Licht für »Fahrt« oder ein rotes für »Halt«.

Das hat damit zu tun, dass es im Prinzip zwei verschiedene Hauptfunktionen für Signale gibt: Die als Vorsignal und die als Hauptsignal. Früher waren Vor- und Hauptsignal grundsätzlich getrennte Gerätschaften, heute gibt es oft beides in einem Kasten. 
Vorsignale teilen einem Zug mit, ob er am nächsten Hauptsignal zu fahren (grün) oder zu stehen (gelb) hat. Wenn alles gut gelaufen ist, hat das Hauptsignal dann hauptsächlich die Funktion, diese Anweisung zu bestätigen (fahren: grün; stehen: rot) und im Falle eines Haltes durch Umspringen auf Grün mitzuteilen, wann es weitergeht. Insofern ist es logisch, dass Vor- und Hauptsignal normalerweise einen Bremsweg (üblicherweise einen Kilometer) voneinander entfernt stehen.
Verkompliziert wird das durch die Möglichkeit, auch Geschwindigkeiten zu signalisieren. Ein grünes Blinken am Vorsignal zusammen mit einer gelben Leuchtzahl darunter sagt, dass ab dem Hauptsignal langsamer gefahren werden muss als vielleicht zu erwarten wäre, nämlich mit dem Zehnfachen der angezeigten Zahl in km/h. Das Hauptsignal wiederholt die Zahl dann in weiß und oben. Falls es gleichzeitig auch als Vorsignal für den nächsten Abschnitt fungiert, kann es seinerseits natürlich wieder blinken und unten eine gelbe Zahl anzeigen. Grünes Blinklicht mit weißer 10 oben und gelber 6 unten heißt also »hier mit 100 km/h fahren und ab dem Hauptsignal mit 60 km/h fahren«, sprich: »bis zum Hauptsignal auf 60 km/h herunterbremsen«, denn der Lokführer fährt schon 100 (das weiß er vom letzten Vorsignal, aus dem Fahrplan oder aus dem Kopf), und da er Streckenkenntnis besitzen muss (siehe Prellblog 6), weiß er auch ungefähr, wieviel Platz da zum Bremsen ist. Wenn er es nicht weiß, steht es in dem Buchfahrplan auf seinem Fahrtisch.

Es kommen nun selbstverständlich noch Spitzfindigkeiten hinzu. Kleine Lampen kennzeichnen zum Beispiel, ob ein Vorsignal in verkürztem Abstand zum Hauptsignal steht; ob ein Signal nur ein Vorsignal wiederholt, zum Beispiel als Erinnerung hinter einem Haltepunkt; ob die Fahrt ins Gegengleis geht, weil man überholt wird; ob und wie an einem gestörten Signal vorbeigefahren werden darf; und ob Rangierfahrten über rot fahren dürfen. Zudem hat außerdem nicht jedes Hauptsignal ein Vorsignal; wenn die Sichtverhältnisse übersichtlich sind, gibt es nur eine Tafel, die darauf hinweist, dass bald ein Hauptsignal kommt.
Ohnehin gibt es neben den »normalen« Signalen noch haufenweise andere Tafeln und Anzeigen, nicht zu vergessen die alten Signale mehrerer verschiedener Systeme, die sich zwischen 1840 und 1993 so angesammelt haben.

Durch die Möglichkeit, Vor- und Hauptsignal in einem Kasten zu kombinieren und diese ganzen Geschwindigkeiten zu signalisieren, kann man Strecken, die viel Betrieb aufnehmen sollen, in viele kurze Blockabschnitte einteilen, ohne übermäßig viele Signale aufzustellen. Ein klassischer Fall dafür sind S-Bahnen.
Je kürzer nun aber die Einteilungen sind, desto langsamer müssen die Züge fahren, da es immer möglich sein muss, auf der Länge eines Abschnitts anzuhalten. Umgekehrt würden bei sehr schnellen Zügen die Blockabschnitte unsinnig lang, denn selbst mit den besten Schnellzugbremsen sind die tausend Meter, die üblicherweise vorgesehen sind, bei Geschwindigkeiten deutlich über 160 km/h nicht mehr zu halten. Auch die Signale zu erkennen, ist dann nicht mehr so einfach.
Für Schnellstrecken gibt es daher andere Signalisierungslösungen, die in einer weiteren Folge dieser Reihe besprochen werden.

Dies ist der dritte Teil einer losen Artikelserie zum Thema Leit- und Sicherungstechnik.

Bild: Daniel Moses (»dfmoses_2000«) bei Flickr (Details und Lizenz)