Sonntag, 8. Juni 2008

Sonderzug 1: Bahn und Bier

Gastbeitrag von Ulrich Schmidt

Die Eisenbahn existiert natürlich nur in Wechselwirkung zu ihrer Umwelt. Auf eine davon möchte ich näher eingehen: Bahn und Bier. Ich könnte auch über andere Themen schreiben: Zug und Zuckerrübe oder auch ICE und Eis. Aber das Verhältnis von Bahn und Bier ist doch, besonders für mich, ein besonderes.


Da ist erst einmal das Bier als Transportgut. Allgemein bekannt ist, dass die traditionell als erste deutsche Eisenbahn angesehene Bayerische Ludwigs-Bahn 1836 als erste zahlende Fracht zwei Fässer Bier transportierte. Aber auch danach war es bis Mitte des 20. Jahrhunderts für größere Brauereien selbstverständlich, über ein Anschlussgleis angebunden zu sein. Heute spielt der Bahntransport bei Bier in Deutschland keine Rolle mehr. Ausnahme ist die Warsteiner Brauerei, die ihre Exporte Richtung Italien über die Bahn abwickelt. Die dort tätige Westfälische Landes-Eisenbahn hat für diesen Zweck eine moderne Diesellok WLE 21 im Warsteiner Design lackiert. Es gab wohl auch Bestrebungen der Oettinger-Gruppe, an ihren größeren Standorten Anschlussgleise zu reaktivieren. Das Ergebnis ist nicht bekannt. Im Gegensatz dazu nutzen die jeweils größten Brauereien Österreichs und der Schweiz ihr Anschlussgleis aktiv auch für Biertransport.
Ein weiterer Blickwinkel ist das Hobby. Einerseits bieten die Modellbahnhersteller gern auch eine Brauerei als Bausatz an, der auf der Anlage natürlich weniger Platz verbraucht als beispielsweise eine Ölraffinerie. Auch Tank- und Kühlwagen werden als Modelle angeboten. Die als Zugabe zu Bierkästen abgegebenen Modelle orientieren sich weniger am Original, sondern sind meist mit dem jetzigen Brauerei-Logo bedruckt. Bilder dazu findet man natürlich auf entsprechenden Seiten (zum Beispiel spurn-bierwagen.de). Aber auch die umgekehrte Kombination gibt es: Sammler von Bierdeckeln, Bieretiketten und anderen Brauereiwerbeartikeln, die sich auf Eisenbahn-Motive spezialisiert haben. Einer davon bin ich.
Ein dritter Aspekt ist die Versorgung der Reisenden mit Bier. Selten gibt eine so langfristige Lieferbeziehung wie zwischen der Radeberger Brauerei und der Mitropa. Seit der Gründung der Mitropa 1916 bis zum Verkauf der Marke durch die Deutsche Bahn AG 2004 kam das Bier in den Speisewagen von Radeberger. Anschließend wurden die Bierlieferungen ausgeschrieben, wobei der Imagegewinn für die Brauereien sicherlich größer ist als der finanzielle. Bis Ende 2007 hatte Warsteiner die Gnade Bier für Speisewagen liefern zu dürfen, seit Anfang diesen Jahres der Konzern InBev mit der Marke Beck’s.
Zur Vollständigkeit sei noch die teilungsbedingt existierende Deutsche Schlaf- und Speisewagengesellschaft (DSG) erwähnt, die 1949 gegründet und nach der Wiedervereinigung von der Mitropa übernommen wurde. Da bei der DSG alles seine westdeutsche Ordnung haben musste, wurde durch die Brauereien (zum Beispiel DAB) das Bier für die Mitarbeiter (DSG-Personalbier) besonders gekennzeichnet.
Abschließend möchte ich auf die aussterbende Spezies der Bahnhofskneipen hinweisen. Den Arbeiter, der nach Feierabend mit dem Zug aus der Stadt aufs Land fährt, am heimatlichen Bahnhof seine ein, zwei Feierabendbiere trinkt und nach Hause radelt, gibt es kaum noch. Der heutige Angestellte parkt sein Auto auf dem P+R-Parkplatz oder fährt gleich die ganze Strecke zwischen Büro und Reihenhaus mit dem Auto.
In den letzten Jahren hat man einzelne Bahnhöfe als Standorte für Kleinbrauereien entdeckt. Stellvertretend sei die Gosebrauerei im Bayerischen Bahnhof in Leipzig genannt. In Berlin wird in zwei der ursprünglich 731 Stadtbahnbögen, die sich vom Ostbahnhof bis nach Charlottenburg erstrecken, Bier gebraut. Lemkes Brauhaus befindet sich am S-Bahnhof Hackescher Markt und Brewbaker am S-Bahnhof Bellevue.
Fehlt nur noch eine Brauerei, die Eisenbahn heißt. Gibt es auch: in Brasilien (www.eisenbahn.com.br)!

Bild: Autor

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