Donnerstag, 12. Juni 2008

59: Ach und Weh

Heute hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) seinen Verkehrsvertrag mit DB Regio NRW, einer Deutsche-Bahn-Tochter, die Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen anbietet, fristlos gekündigt. Der Anlass war, dass die DB entgegen der Vertragsbestimmungen statt 90 % weniger als 20 % aller Spätzüge durch Sicherheitspersonal bestreifen ließ, aber angedroht hatte der VRR diese Maßnahme schon seit Januar, insofern ist es keine Überraschung.

Das Wort »Verkehrsvertrag« hat im deutschen Schienenpersonennahverkehr ein besonderes Rüchlein. Zwar werden auch durch Ausschreibung vergebene Verkehre auf Basis eines Vertrages gebracht, aber normalerweise bedeutet »Verkehrsvertrag« immer freihändige Vergabe, und freihändige Vergabe bedeutet bei der richtigen Eisenbahn normalerweise Vergabe an die DB. Verkehrsverträge sind sozusagen die letzten Ausläufer des früheren Monopols der Bundesbahn, denn üblicherweise greifen sie nur dort, wo es bisher noch keine Ausschreibungen gegeben hat. Die meisten Verkehrsverträge legen auch eine Art schrittweisen Ausstieg in Form des sukzessiven Ausschreibens von Teilnetzen fest. Irgendwann werden alle Nahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden, aber bisher ist der DB immer noch ein solider Teil des deutschen Schienenverkehrs freihändig und langfristig überantwortet.
Manchmal funktioniert das nicht ganz so gut; die Servicequalität von DB Regio NRW ist legendär schlecht. Auch die Umstände, unter denen diese Verträge geschlossen werden, sind manchmal merkwürdig: Es ist zum Beispiel ein mehr oder minder offenes Geheimnis, dass zum Beispiel der letzte Verkehrsvertrag in Schleswig-Holstein das Unterpfand für die schnelle Inangriffnahme der Elektrifizierung Hamburg-Lübeck-Travemünde war. In Rheinland-Pfalz wurde ganz offen in der Presse gelobt, dass der Verkehrsvertrag die DB motiviere, Wartung und Ausbau im Land zu intensivieren.
Dass da irgend etwas nicht richtig läuft, ist unschwer zu erkennen. Ganz nebenbei ist aus dieser Gemengelage auch abzulesen, dass die DB in absehbarer Zukunft nicht mit steigenden Marktanteilen im Nahverkehrsgeschäft rechnen kann. Das muss nicht unbedingt schlecht sein; es könnte zum Beispiel zu erwarten sein, dass DB Regio sich, was den Service angeht, aufrafft, und Anstalten macht, Netto- oder Bonusverträge abzuschließen

Im VRR-Gebiet hat es nun aber zuerst einmal geknallt; die DB wird zunächst auf Basis verwaltungsrechtlichen Zwanges (unter »Auferlegung«) die Verkehre weiterfahren, bis diese stufenweise im Wettbewerb vergeben werden. Nach dem Sieg, den es für die DB dargestellt hat, als der letzte Mitinteressent aus dem bisher größten Vergabeverfahren, nämlich dem für die S-Bahn Stuttgart, ausgeschieden ist, kommt also ziemlich postwendend ein heftiger Schlag.
Man wird sich darauf einstellen können, dass viele Vertreter verschiedenster Gremien und Unternehmen in den nächsten Tagen viel öffentlich zetern werden. Die Drohung mit verloren gehenden Arbeitsplätze wird wohl eine große Rolle spielen.
Da ein Eisenbahnsystem aber nicht nur kein Freilichtmuseum, sondern auch keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist, halte ich den Schritt des VRR grundsätzlich für richtig.

Und noch ganz andere Schatten zeichnen sich am Horizont ab: Ende April hat beispielsweise die Havelländische Eisenbahn den alten, teilweise stillgelegten Rangierbahnhof Wustermark mit insgesamt knapp 33 Kilometern Gleisen gekauft, explizit auch, um dort Züge zu bilden. Das Monopol der DB auf große Rangierbahnhöfe - nach mancher Ansicht ein Geburtsfehler der Bahnreform - ist damit natürlich noch nicht Geschichte, hat aber zumindest eine kleine Delle bekommen.


Bild: Mathias Pastwa bei Flickr (Details und Lizenz)

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