Donnerstag, 10. April 2008

55: Projekt Eiertanz 6: Es geht weiter

Nach Monaten Stillstandes zeichnet sich jetzt ab, wie es mit dem Börsengang der Deutschen Bahn weitergehen und was das für die Zukunft des DB-Anteils des deutschen Eisenbahnverkehrs bedeuten könnte. Dies bedeutet, dass auch das Projekt Eiertanz eine neue Folge produzieren muss.

Zunächst haben sich anscheinend DB-Führung wie Regierung damit abgefunden, dass der Konzern nicht im Ganzen an die Börse gehen wird, sondern nur zum Teil. (Dass der DB-intern unter dem Namen »Newco« zur Abspaltung vorbereitet werde, ist übrigens von geringem Nachrichtenwert, weil das der übliche Arbeitstitel für Firmenabspaltungen ist.) »Netz und Bahnhöfe«, heißt es, sollen beim Bund bleiben; ich gehe davon aus, dass die Presse damit nicht nur die DB Netz und die DB Station & Service meint, sondern auch DB Energie, die sich in der Vergangenheit nicht gerade für den diskriminierungsfreien Zugang krummgelegt hat. Man hat sich schnell ins Schicksal gefügt; Mehdorn selber meinte, es sei wichtig, die Logistiksparte nicht aufzuspalten, aber das Netz dürfe der Bund gerne haben. Das ist eine Kehrtwende weg von der jahrelangen Parteilinie, Fahrweg und Fahrzeug müssten wegen Synergieeffekten in einer Hand bleiben.
Aus der SPD gibt es Forderungen, doch bitte auch DB Regio vollständig beim Staat zu belassen, die völlig zu Recht allerseits zurückgewiesen worden sind. Der Nahverkehr ist nicht auf staatliche Anbieter angewiesen, weil er vollständig im Staatsauftrage veranstaltet wird. DB Regio vom Börsengang auszunehmen wäre höchstens eine Maßnahme zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei einem unterproduktiven Unternehmen.

Passend zur aufkochenden Diskussion - man munkelt, die ersten Aktien von »DB Newco« könnten noch 2008 an den Börsen auftauchen - regt es sich im verkehrspolitisch-industriellen Komplex. Eine Studie »im Auftrag von Verkehrsbetrieben« (von welchen?) soll feststellen, dass der DB-Fernverkehr stagniere und zu erwarten sei, dass das ICE/IC/EC-Netz weiter ausgedünnt wird, um die Rentabilität zu steigern. Die DB dementiert, die üblichen Verdächtigen schreien (»ganze Regionen werden abgehängt« etc.); dabei bleibt fraglich, ob der Durchschnittsfahrgast die Einstellung überhaupt teilt, dass der ICE relativ überteuert ist, skandalöserweise dort fährt, wo »eigentlich« andere Züge fahren sollten und eher ein Grund zum Nicht-Bahnfahren ist. Dass IC-Verbindungen bei der Umstellung auf ICE meines Wissens normalerweise Fahrgastgewinne schreiben, scheint ein gewichtiges Argument gegen diese selten hinterfragte »Binsenweisheit«.
Passenderweise hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr eine »Initiative Deutschland-Takt« gegründet, die einen vollintegrierten Taktfahrplan für Nah- und Fernverkehr fordert und wohl die jüngste Inkarnation des Rufs nach der Interregio-Wiedereinführung darstellt. Dies würde praktisch die Abkehr vom eigenwirtschaftlichen Fernverkehr bedeuten - in Zeiten, wo von offizieller Seite bemängelt wird, dass es im Fernverkehr nach wie vor keinen funktionierenden Wettbewerb gibt. 
Ungeachtet all dessen hat sich die DB für den Ersatz ihres Intercity-Rollmaterials jetzt anscheinend für achtteilige Triebzüge entschieden; zwischen 100 und 130 Stück sollen bestellt werden, und zwar passend zum ICE-Standard. Das heißt also 800 bis 1040 Wagen, vom Volumen genug, um die bisherigen IC-Verkehre ohne größere Streichungen aufzunehmen; Wagen aber auch, die man sehr wahrscheinlich auch locker als ICE fahren lassen könnte, ohne dass es jemandem auffiele. Mal sehen, was passiert.

Im Kommentar zum Prellblog 38 hatte ich geschrieben:
[Es] muss meiner Ansicht nach der ICE-Fetischismus der meisten deutschen Kommunal- und Landespolitiker aufhören und außerdem muss der Mut zur Lücke her - man sollte irgendwann aufhören, jeden wegfallenden IC sofort durch bestellten schnellen Nahverkehr zu ersetzen.
Das gilt weiterhin. Wenn es zu Streichungen kommt, sollte die öffentliche Hand sich mit überhasteten Ersatzangeboten zurückhalten, denn jede Strecke, wo ein Privatanbieter gewinnbringend fahren könnte, und die dann doch (am Ende von DB Regio...) auf Staatskosten bedient wird, ist eine verpasste Chance für die Eisenbahn, denn mit dem Geld, das dieser Verkehr dann ohne Not kostet, könnte man anderswo Bahnsteige sanieren oder Strecken reaktivieren.

Bild: »colbwt« bei Flickr (Details und Lizenz)

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