Donnerstag, 17. Januar 2008

44: Ordentliche Packung

In ihrer zu Recht hochgeschätzten Rubrik »Briefe an die Leser« schreibt die Titanic im Dezember letzten Jahres:

Und, Deutsche Bahn!
Seit wir an einer Deiner Gleisbaustellen ein Reparaturfahrzeug namens »Dynamic Stopfexpress« gesehen haben, wundern wir uns endgültig über gar nichts mehr.
Deine desillusionierten Dynamisten von immer wieder Deiner
Titanic
Nun ist der Name dieses »Reparaturfahrzeuges« in der Tat bizarr und auch mir schon des öfteren aufgefallen - neulich stand übrigens so ein Dynamic Stopfexpress hier hinter dem Haus, da ich direkt neben der Abstellanlage des Marburger Bahnhofs wohne. Mit der Deutschen Bahn hat er allerdings nichts zu tun. Es handelt sich um die Produktbezeichnung des österreichischen Unternehmens Plasser & Theurer, des weltweiten Marktführers im Gleisbau- und damit auch Stopfmaschinengeschäft.
Was macht so eine Stopfmaschine, sei sie nun ein dynamischer Express oder nicht?
Sie stopft.
Das Stopfen ist eine der meiner Meinung nach mystischeren Tätigkeiten im Bereich des Gleisbaus. Beim Neuverlegen von Gleisen verwandelt es den bis zur Oberkante vollgeschotterten und nicht sonderlich vertrauenerweckend hoch in der Bettung liegenden Schienenstrang in etwas, was den Namen Gleis auch verdient; bei der Instandhaltung von Schienenwegen kann man damit zu tief liegende Stellen so unterstopfen, dass danach wieder alles schön gerade ist.
Um dies zu bewerkstelligen, steckt die Stopfmaschine mehrere meißelartige Stahlwerkzeuge (Stopfpickel) seitlich, knapp unter den Schwellensohlen, in den Schotter und rüttelt diesen damit auf. Die lockere Schüttung verwandelt sich dabei in eine verdichtete Packung, und die österreichischen und sonstigen Spezialisten haben diesen Vorgang, der früher ganz profan von haufenweise halbnackten Männern mit Hacken ausgeführt wurde, mit wahrer Besessenheit in ein physikalisch modelliertes und computergesteuert vollautomatisiertes Herstellen definierter Parameter verwandelt.
Das oberste Ziel der Gleisbauer ist es, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit und in möglichst wenig Durchgängen zu machen, um Streckensperrungen zu vermeiden. Daher werden die Stopfmaschinen immer schneller und besser: Der Stopfexpress schafft maximal 1,2 Kilometer pro Stunde. Aber auch die Geschwindigkeiten, mit denen ein Gleis direkt nach dem Durchstopfen befahren werden darf, werden mit zunehmendem technischen Fortschritt immer höher. Nach wie vor ist es so, dass über ein frisch durchgestopftes Gleis immer erst eine definierte Summe an Achslast mit einer bestimmten Höchstgeschwindigkeit gefahren sein muss, bevor es für höhere Geschwindigkeiten freigegeben werden kann.
Ein Verfahren namens »dynamische Gleisstabilisierung«, das damit zu tun hat, die Schienen über Rollenwerkzeuge gezielt in Vibration zu versetzen, kann sogar dies überflüssig machen. Ihm verdankt die lustige Maschine das »Dynamic« im Namen.

Natürlich bauen auch noch andere Hersteller wie Matisa und Robel Stopfmaschinen - ich möchte hier keine Schleichwerbung betreiben.

Bild: Chris McKenna (»Thryduulf«) bei Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

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