Donnerstag, 30. August 2007

25: Break on through to the other side

Ich bin fern jeder Straßenbahn aufgewachsen und weiß nicht, wie mir der Begriff erklärt wurde. Selber würde ich einem Kind, das danach fragt, etwas sagen wie »Das ist eine Eisenbahn, die auf der Straße fährt«. Doch es ist komplizierter.

Anders als die haarspaltereiaffinen Bezeichnungen »S-Bahn«, »U-Bahn« und »Stadtbahn« ist »Straßenbahn« klar definiert als Schienenbahn, die keine Bergbahn oder Seilbahn ist, Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich befördert, dabei im Straßenraum oder mit vom Verkehren im Straßenraum abgeleiteter Betriebsweise auf eigenem Bahnkörper verkehrt, oder eine Hoch-, Untergrund-, Schwebebahn oder Vergleichbares ist. Eisenbahn ist, was keine Magnetschwebebahn, Bergbahn, Straßenbahn oder sonstige Bahn besonderer Bauart ist.
Straßenbahnen fahren nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) auf Grundlage des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG); normalspurige öffentliche Eisenbahnen fahren nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) auf Grundlage des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Alles klar?
Die lockereren Bestimmungen von PBefG und BOStrab lassen zu, dass nicht nur U-Bahnen, sondern auch Wuppertaler Schwebebahn, Dortmunder H-Bahn, und die Terminalbahnen an Flughäfen als Straßenbahnen betrieben werden. Die volkstümliche Vorstellung, dass Straßenbahnen eine kleinere Spurweite hätten als Eisenbahnen, ist Unsinn; es gibt Schmalspureisenbahnen, Straßenbahnen sind meist normalspurig; bei der Wuppertaler Einschienenbahn gibt es keine Spurweite. Auch Gleichstrom ist kein Kriterium - die S-Bahnen Berlin und Hamburg fahren mit Gleichstrom und sind Eisenbahnen.
Der Prinzipunterschied ist, dass Straßenbahnen als auf Sicht im Straßenverkehr mitschwimmend oder davon abgeleitet gedacht sind und Weichen selber stellen, während Eisenbahnen technisch gesichert fahren. Zwar sind das auch die meisten Straßenbahnen mittlerweile, aber die Standards und auch die Signale sind andere.
Diese juristische Abgrenzung hat auch Nachteile. Ein Straßenbahnfahrzeug kann nicht einfach ins Eisenbahnnetz einfahren und umgekehrt.
Trotzdem ist die Vernetzung von Straßenbahn und Eisenbahn sinnvoll. So sinnvoll, dass man in Karlsruhe seit 1957 ständig daran arbeitet, sie in das wuchernde Wunderwerk Stadtbahn Karlsruhe einzuschmelzen, das auf mittlerweile über 400 Netzkilometern Kultstatus unter Verkehrsplanern genießt. Ansätze zu Ähnlichem gibt es in Saarbrücken, Zwickau, Chemnitz, Nordhausen ... und seit elf Tagen in Kassel.
Kassel hatte früher eine Pionierrolle bei der Umstellung auf niederflurige Straßenbahnen und ist die Heimat des »Kasseler Sonderbords«, eines Haltestellenbordsteins, der sich an fast jeder neueren deutschen Bushaltestelle findet. Auch hat man Einfallsreichtum bei der Überlandstrecke nach Hessisch Lichtenau gezeigt, wo es Sechsschienengleise gibt, damit sich Güterzüge und Einrichtungs-Straßenbahnen eine eingleisige Strecke teilen können.
Die neue RegioTram Kassel fährt mit plüschigen Triebwagen aus der Innenstadt durch einen steilen Tunnel unter dem Hauptbahnhofsgebäude hindurch, hält dort in einer nagelneuen Haltestelle und fährt ins Umland. Die Netzlänge der ersten Ausbaustufe beträgt respektable 182 Kilometer.
Einige Züge wechseln dabei von Gleichstrom- auf Wechselstrombetrieb, andere klappen den Stromabnehmer ein und starten Dieselmotoren auf dem Dach: Wer ingeniösen Schienenverkehr mag, hat mit Kassel eine neue Pilgerstätte. Gekostet hat das ganze System übrigens etwas über 180 Millionen Euro - für ein Nahverkehrsprojekt dieser Größenordnung ein Pfennigbetrag.
Es bleibt zu hoffen, dass die Erfolge ausreichen werden, den Träger so weit zu entlasten, dass er die gestern aufgeschobene Reaktivierung der Strecke Korbach-Frankenberg irgendwann wieder ins Auge fassen kann. Aggressiver Ausbau ist das Beste, was man gegen die Defizite im Nahverkehr tun kann; das ist die Lektion von Karlsruhe und hoffentlich bald auch die von Kassel. Vielleicht wird die RegioTram nach Karlsruher und Heilbronner Vorbild irgendwann einmal die Göttinger und Marburger Innenstädte erreichen? Zu machen ist das.

Bild: Jason Rogers bei Flickr (Details und Lizenz)

Donnerstag, 23. August 2007

24: Volle Deckung?

Wenn Züge fahren, kostet das. Bautenabschreibungen, Fahrzeuge, Löhne, Energie, Ersatzteile, Gleisbau und so weiter. Dabei gibt es verschiedenste Kostenarten: Fahrzeuge kann man kaufen, leasen oder staatlich gestellt bekommen, Infrastruktur kann man selber betreiben oder gegen Gebühren nutzen. Investitionen zahlt häufig der Staat, selbst wenn es sich eher um Sanierung als um Ausbau handelt. Fahrzeuginstandhaltung kann man selber machen, machen lassen, oder gleich beim Hersteller mitkaufen.

Auf der Einnahmenseite ist es noch unübersichtlicher, vor allem im Nahverkehr, wo die Aufgabenträger Verkehrsleistungen bestellen. Und da gibt es verschiedene Modelle - der Träger kann alle Kosten übernehmen und die Einnahmen behalten; er kann aber auch die Fahrgelder an den Betreiber durchreichen und das Defizit zuschießen; Bonus- und Malussysteme sollen dabei für Einnahmesteigerungen und Qualitätsverbesserungen sorgen. Fahrgeldern sind dabei wieder eine Wissenschaft für sich, weil es Verkehrsverbünde gibt und Fahrkarten, die für Züge mehrerer Betreiber gelten; die Einnahmen werden nach regelmäßigen Fahrgastzählungen in langwierigen Verhandlungen aufgeteilt. Praktisch alle Vergaben von Streckenpaketen im Nahverkehr sind außerdem mischkalkuliert, da die Träger kein Interesse haben, profitable Strecken einzeln zu vergeben, so dass es am Ende sehr teuer würde, noch jemanden zu finden, der die defizitären Reststrecken fährt; die Betreiber wiederum wollen Gewinn und nicht nur eine schwarze Null.
Insofern ist es schwierig zu sagen, wie rentabel eine Bahn arbeitet. Am einfachsten ist es noch bei klassischen städtischen Verkehrsbetrieben, die eigene Infrastruktur betreiben und deren Defizit aus dem Stadthaushalt gedeckt wird. Und man kommt auf überraschende Ergebnisse. Die Hamburger Hochbahn trägt sich zu 85 % selber; die Berliner BVG immerhin noch zu 59 %. Der äußerst gute und erfolgreiche Karlsruher Nahverkehr ist angeblich bei Einzelfahrten rentabel, bei Dauerkarten nicht; allerdings ist das eine Milchmädchenrechnung, da die Fixkosten sehr hoch sind - würde man diesen Rabatt auf Dauerkarten streichen, könnte dies die Fahrgastzahlen so stark senken, dass auch Einzelfahrten defizitär würden. Man nimmt generell an, dass große Teile des Nahverkehrs rentabel sein könnten, wären die Betreiber nicht verpflichtet, Schüler, Soldaten, Zivildienstleistende, Senioren, behinderte Menschen und so weiter ermäßigt oder kostenfrei zu befördern.
Alle Verkehrsbetreiber und -träger, die einigermaßen auf Zack sind, arbeiten an der Verbesserung ihrer Kostendeckung, was am ehesten über Angebotsexpansion funktioniert: Investitionskosten für Streckenbauten, Werkstätten und Fahrzeuge werden stark staatlich bezuschusst; Mehreinnahmen durch neue Fahrgäste kommen dem Betreiber und letztlich dem Träger zu Gute. Auf der Kostenseite lässt es sich hauptsächlich bei der Fahrzeuginstandhaltung sparen - der Kernunterschied zwischen verschiedenen Angeboten bei Ausschreibungen sind meistens die Konzepte dafür, wer die Fahrzeuge wo und wie wartet. Entgegen vieler Propaganda wird kaum an der Lohnschraube gedreht, da es nicht gerade ein Überangebot an qualifiziertem Personal gibt.
Zumindest ist klar: Das beliebte Gerücht, die Fahrgeldeinnahmen im ÖPNV reichten gerade einmal dafür, die Kosten für Fahrscheinverkauf und Kontrolleure zu tragen, ist Unsinn. Insofern muss man auch Forderungen nach kostenlosem, voll über Pflichtbeiträge finanziertem ÖPNV (»Semesterticket für alle«) skeptisch sehen: Es wäre nicht nur unüberschaubar, wie sich diese Lasten mit der zu erwartenden Fahrgaststeigerung entwickeln; vor allem fiele die Motivation, das Angebot attraktiver zu machen, weg. Wozu Fahrgäste gewinnen, wenn sich dies nicht auf die Bilanz auswirkt und die Investitionen dafür doch nur den Beitragszahler belasten? 
Sinnvoll erscheint mir das französische Modell, Industrie- und Gewerbebetriebe über eine Umlage an der Verkehrsfinanzierung zu beteiligen, da der volkswirtschaftliche Nutzen eines verbesserten Nahverkehrs letztlich großenteils bei ihnen anfällt. Vom Ziel eines rentablen öffentlichen Verkehrs sollte man aber nicht abgehen, denn so weit weg ist man davon gar nicht.

Bild: Jan Pešula bei Wikimedia Commons (Details und Rechtefreigabe)

Donnerstag, 16. August 2007

23: Wellenreiter

Im Prellblog 14 ging es darum, wie das bei der Eisenbahn so ist mit den Rädern, und ich hatte versprochen, irgendwann auch über eine Erscheinung namens Sinuslauf zu reden. Heute soll das passieren.

Um noch einmal kurz zu rekapitulieren: Bei einem normalen Eisenbahnfahrzeug bilden je zwei Räder und die sie verbindende Achswelle eine feste Einheit, einen Radsatz. Damit dieser nicht entgleist, hat er überstehende Spurkränze. Ganz vereinfach läuft also die Kante, wo Spurkranz und Radreifen zusammenstoßen, auf der Innenkante des Schienenkopfs, der Fahrkante.
Nun muss aber der Abstand zwischen den Spurkränzen, die Spurweite, ein wenig geringer sein als der zwischen den Fahrkanten, damit sich die Räder nicht zwischen den Schienen verklemmen können. Diese Differenz, das Spurspiel, beträgt je nach Bahnsystem zwischen einigen Millimetern und über einem Zentimeter.
Damit ergibt sich, dass ein Radsatz auf dem Schienenpaar, sofern die Radreifen zylindrisch und die Schienen horizontal sind, in gewissen Grenzen schräg zu den Schienen rollen kann, nämlich solange bis ein Spurkranz anstößt. In der Geraden heißt dies ein ständiges Zickzack mit wechselseitig anlaufenden Rädern, in der Kurve, dass ein Spurkranz fast während des gesamten Durchfahrens des Bogens an einer Schiene schleift.
Insgesamt ist dies nicht sehr befriedigend, schon des Lärms wegen, vom Verschleiß ganz zu schweigen; auch können bei höheren Geschwindigkeiten anlaufende Spurkränze bei genügend seitlichem Druck an der Schienenflanke hochklettern und entgleisen. In der Realität sind daher die Radreifen eben nicht zylindrisch, sondern konisch. Verschiebt sich ein Radsatz seitlich, läuft dadurch ein Rad auf einem größeren Umfang als das andere und eilt voraus; dadurch »lenkt« der Radsatz wieder von der Schiene, an die er anlaufen würde, weg. Insgesamt kommt eine Schwingung der Radsatzmitte um die Gleismitte zustande, die die Form einer Sinuskurve hat; daher der Name Sinuslauf. Idealerweise pendelt der Radsatz dabei im Spurkanal hin und her, ohne mit den Spurkränzen anzulaufen, und wird dabei durch die Gleitreibung bei der Seitenverschiebung gedämpft, bis er gleichmäßig geradeaus läuft. Die Wellenlänge dieser Schwingungen ergibt sich nach der 1883 aufgestellten Klingelschen Formel aus dem Kegelwinkel der Radreifen, den Radien und dem Spurmaß, kann aber auch durch die Aufhängung der Radsätze, die Drehgestellbauweise und Ähnliches beeinflusst werden. Bei hohen Geschwindigkeiten müssen all diese technischen Einflüsse so koordiniert sein, dass sich ein Radsatz nicht bis zur Entgleisung aufschaukeln kann, unter anderem deswegen, weil ab etwa 140 km/h Fahrgeschwindigkeit die Reibungskräfte eines Radsatzes nicht mehr allein zur Dämpfung ausreichen.
Es wird aber noch fitzeliger: Die Radreifen sind nicht nur einfach gerade konisch, sondern haben ein spezielles Profil; außerdem sind die Schienen im Winkel 1:40 nach innen geneigt. Wenn das nicht so wäre, würden die Räder bei ihrer Schwingungsbewegung stets auf derselben Linie auf den Schienen laufen, und das wäre immer noch kein sehr gutes Verschleißverhalten. So aber verlagern sich beim Sinuslauf auch die Auflagepunkte, um das Material zu schonen. Eine Messgröße mit dem schönen Namen »Äquivalente Konizität« gibt wieder, welchem Kegelwinkel im vereinfachten Modell eine bestimmte Situation entspricht, und gehört zu den Parametern, die zum Beispiel bei Hochgeschwindigkeitsstrecken ständig überwacht werden müssen. Man sieht also: Das Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und Schiene ist eine komplexe Sache; es reicht nicht, dass das eine auf das andere passt.
Falls doch einmal ein Spurkranz anläuft, ist dieser heute übrigens meistens geschmiert: Es gibt Vorrichtungen, um die Räder oder die Schienenflanken vom Fahrzeug aus, oder bei engen Kurven sogar von der Strecke aus, mit Schmierstoffen zu besprühen. Besonders bei Straßenbahnen, wo noch viel mit zylindrischen Radreifen und daher gänzlich ohne Sinuslauf gefahren wird, ist dies sinnvoll.

Bild: OZinOH bei Flickr (Details und Lizenz)

Donnerstag, 9. August 2007

22: Fahren und Fliegen

Wer fliegen will, muss zum Flughafen kommen, und es bietet sich an, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu tun, da gängige Personenflugzeuge nur selten Möglichkeiten zur Fahrrad- und Automitnahme bieten. Entsprechend naheliegend ist es, Flughäfen eigene Bahnhöfe anzubauen. Berlin-Tempelhof hatte bereits 1927 einen U-Bahn-Anschluss; der erste Flughafen-Fernbahnhof der Welt eröffnete 1958 in London-Gatwick. Die nächsten in Deutschland waren Berlin-Schönefeld 1962, Frankfurt am Main 1972 und Düsseldorf 1975.

Auf die ersten schlicht gefliesten Tunnelstationen folgten schnell Bauten, die zu den schönsten modernen Bahnhofsgebäuden überhaupt gehören, unter anderem deswegen, weil Flughäfen einige der wenigen Gelegenheiten bieten, im dicht besiedelten Europa neue Bahnhöfe als Solitäre in freies Gelände zu bauen. Der abgebildete Calatrava-Bau für Lyon-Saint-Exupéry 1994 gehört dazu wie auch der Frankfurter Flughafen-Fernbahnhof 1999.
Bei neuen Flughäfen werden die Bahnhöfe meistens gleich eingeplant - so beginnt der Umbau von Berlin-Schönefeld zum neuen Airport Berlin-Brandenburg International mit der Herstellung des Tiefbahnhofs, über den einmal die Hälfte aller Fluggäste anreisen soll; daher auch die Rede vom »Eisenbahnflughafen« in der letzten Kolumne.

Interessanterweise sind die meisten Flughafenbahnhöfe baulich und fahrplanmäßig keine Endstationen, obwohl man erwarten kann, dass der Hauptverkehr aus Shuttles besteht, die zwischen einem Innenstadtbahnhof und dem Flughafen pendeln. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass ein Bahnhof, der auch von durchgehenden Regional- und Fernzügen bedient wird, nicht nur Vorteile für Fluggäste aus der richtigen Richtung bietet, sondern eventuell einen ganz neuen Umsteigeknoten schaffen kann, je nach Lage und Fluggastzahl. Außerdem kann man ja nicht nur umsteigen. Die Tendenz von Flughäfen, sich gewissermaßen zu Vorstädten ohne feste Wohnbevölkerung zu entwickeln, hilft natürlich ebenso wie die Tatsache, dass meistens auch ein Autobahnanschluss und große Parkhäuser in Steinwurfweite zu finden sind. Dem genannten Bahnhof in Frankfurt wird nicht ohne Grund derzeit eine riesige Multifunktionsimmobilie aufs Dach gebaut. Letztlich bestätigt sich hier nur die jahrtausendealte Weisheit, dass dort, wo viele Leute vorbeikommen, irgendwann auch welche bleiben.
Das Problem, dass in vielen Städten mit dem Flughafen so ein zusätzlicher Fernzughalt besteht, der womöglich ohne größere Fahrzeitverlängerungen für die nicht Betroffenen bedient werden soll, ist zwar nur schwierig zu lösen (siehe auch Prellblog 10), aber es bleibt das Fazit, dass es keine schlechte Idee ist, Flughäfen in flächendeckende Eisenbahnnetze einzubinden statt sie nur einseitig an Hauptbahnhöfe anzubinden. Dies wirft ein schiefes Licht unter anderem auf die Münchner Transrapid-Planungen (siehe auch Prellblog 31).

Interessant sind die Dienstleistungen von Eisenbahnen im Zusammenhang mit Flügen, die viele Skeptiker einst Schlimmes vermuten ließen: Check-in von Gepäck direkt am Bahnhof und Züge mit Fluggepäckbeförderung und Lufthansa-Personal, die auf Flugtickets als Anschluss-»Flüge« buchbar sind, ließen und lassen Wehgeschrei erschallen, bald verkehrten Züge nur noch zwischen Flughäfen oder die Bahn werde vollständig auf die Funktion als Flugzubringer reduziert. Man hat auch schon Verschwörungstheorien gelesen, es gebe Absprachen zwischen Lufthansa und Deutscher Bahn, das Netz in genau diese Richtung zu entwickeln.
Hierzu sei daran erinnert, dass die Bundesbahn ihrerzeit einmal davon träumte, Fernstrecken mit bahneigenen Hubschraubern zu fliegen, wofür die Dächer der Innenstadtbahnhöfe als unschlagbar gelegene Startplätze dienen sollten. Aber das ist lange her.

Foto: Tom Godber (alias masochismtango) bei Flickr (Details und Lizenz)

Sonntag, 5. August 2007

Kampf den Gießbächen

Es wundert mich, dass sich während der Ausfallzeit noch niemand beschwert hat, aber Silbentrennung und Blocksatz funktionieren jetzt wieder. Sieht doch erheblich besser aus, finde ich.

Donnerstag, 2. August 2007

21: Maulwürfe

Statt geplanter schaue ich mir heute laufende Bauvorhaben an - was sind die größten Eisenbahnprojekte, an denen zur Zeit gearbeitet wird?

  • Platz 10: Der gerade anlaufende, auf etwa zehn Jahre angelegte Totalumbau von Berlin Ostkreuz (siehe Prellblog 2), ca. 411 Mio. Euro.
  • Platz 9: Der viergleisige Ausbau Augsburg-München, 1998-ca. 2010; ein Gleispaar wird Güter- und Nahverkehr bis 160 km/h, ein zweites Fernverkehr bis 230 km/h aufnehmen, ca. 556 Mio. Euro.
  • Platz 8: Der Ausbau Berlin Ostbahnhof - Frankfurt/Oder zur elektrifizierten Hauptbahn für 160 km/h seit 1997, neue Brücke nach Polen inklusive, Fertigstellung geplant 2013, ca. 565 Mio. Euro.
  • Platz 7: Die gerade begonnene Anbindung des neuen Berliner Flughafens, der als »Eisenbahnflughafen« einen Tunnelbahnhof zu vier Fernbahn- und zwei S-Bahn-Gleisen erhält, Fertigstellung versprochen 2010, ca. 596 Mio. Euro.
  • Platz 6: Der Totalumbau des Knotens Halle/Leipzig mit Untertunnelung der Leipziger Innenstadt, 2001 - ca. 2010, ca. 700 Mio. Euro.
  • Platz 5: Der Ausbau Lübeck-Stralsund zur elektrifizierten Hauptbahn für 160 km/h - begonnen 1994, so gut wie fertig, ca. 800 Mio. Euro.
  • Platz 4: Der Ausbau Leipzig-Dresden mit neuen S-Bahn-Gleisen und Streckenhöchstgeschwindigkeiten bis 200 km/h, 1993 - ca. 2010, ca. 1,4 Mrd. Euro.
  • Platz 3: Die Neubaustrecke Erfurt-Halle/Leipzig, 1998 - ca. 2015, ca. 2,7 Mrd. Euro.
  • Platz 2: Der Ausbau der Rheintalbahn Karlsruhe-Basel auf vier Gleise, davon zwei für den Nah- und Güterverkehr bis 160 km/h und zwei für den schnellen Fernverkehr bis 250 km/h, 2002-nach 2016, ca. 4,3 Mrd. Euro (siehe Prellblog 34).
  • Platz 1 gehört unangefochten der Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg-Erfurt durch den Thüringer Wald. Baubeginn war 1996, fertig wird sie vielleicht 2016 für ca. 5,1 Mrd. Euro.
Was kann man aus dieser Liste von Bauprojekten zum Gesamtpreis von über 16 Milliarden ersehen? Zunächst, dass das Beitrittsgebiet noch lange nicht saniert ist. Zwei Projekte für fast 1,4 Mrd. Euro befassen sich nur mit dem Ausbau ostdeutscher Strecken auf den unspannenden Hauptstreckenstandard von 160 km/h.
Entsprechend ist der Knoten Berlin auch nach Fertigstellung einiger Megaprojekte immer noch finanziell unersättlich, frisst er allein für Ostkreuz und Flughafenbahnhof doch noch einmal mindestens eine Milliarde. Ohnehin machen Knoteninvestitionen einen erheblichen Teil des Volumens aus, wohl über ein Drittel, wenn man berücksichtigt, dass praktisch alle großen Streckenbauten auch Knotenmaßnahmen einschließen.
Sachsen bestätigt seine historische Stellung als Eisenbahn-Kernland Deutschlands: Gleich drei der Großprojekte tangieren Leipzig, mit Investitionen von 4,8 Mrd. Euro.
Alle verbleibenden Bauten stellen zumindest teilweise auf stark befahrenen Strecken Viergleisigkeit her, was der klassische Fall für richtig teure Ausbauten ist, und untertunneln problematische Mittelgebirgsmassive.

Trotzdem ist vorstellbar, welches Alpdrücken alle Beteiligten empfinden müssen angesichts des Streckenzugs Nürnberg-Halle/Leipzig, der allein knapp die Hälfte des genannten Investitionsvolumens umfasst. Man mag sich damit trösten, dass der Flughafen- und Messebahnhof Leipzig, ein Güterzugtunnel Nürnberg-Fürth, etwa 45 Kilometer S-Bahn, die Einschleifung von Coburg, der Regionalbahnhof Ilmenau und ein nagelneuer Erfurter Hauptbahnhof allesamt irgendwie mit zu diesem Projekt gehören, aber zumindest mir bleibt ein metallischer Beigeschmack im Mund.

Bild: Eigene Aufnahme