Donnerstag, 29. März 2007

3: Auf Schienen und mit Strom aus der Leitung

Seit 1881 die erste elektrische Bahn der Welt durch Berlin-Lichterfelde fuhr, hat man über dem kompletten Straßenbahnnetz und gut dem halben Eisenbahnnetz Deutschlands Oberleitungen aufgehängt oder Stromschienen daneben verlegt. Das sind mehr als 22.000 Kilometer Strecke, große Teile davon zweigleisig. Und es geht weiter: Man elektrifiziert derzeit die Strecke Hamburg-Lübeck-Travemünde, was inklusive kleinerer Ausbaumaßnahmen 165 Millionen Euro kostet, knapp zwei Millionen pro Kilometer. Am 22. März sind die Mittel aufgestockt worden, mit denen einmal die gut 270 noch stromlosen Kilometer des Streckenzuges Nürnberg-Dresden verdrahtet werden sollen. (Dass Deutschland einmal vollständig elektrisch wird wie die Schweiz, ist allerdings nicht zu erwarten. Dort waren Kohlemangel und billige Wasserkraft ausschlaggebend.)
Fahrleitungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Weil Bahnen hierzulande nicht mit Netzstrom, sondern mit niederfrequentem Wechselstrom oder Gleichstrom fahren, braucht man Umrichter- oder Gleichrichterwerke. Für Fernbahnen wird der Strom über ein Hochspannungsnetz (mit eigenen Schaltzentralen) verteilt, und durch kleinere Umspannwerke abschnittsweise in die Fahrleitungen eingespeist. Die verschiedenen Metallseile, aus denen so eine Oberleitung besteht, wollen straff gespannt, regelmäßig erneuert und auf korrekte Lage überprüft werden.

- In Nordamerika war nie mehr als ein Prozent des Fernbahnnetzes elektrifiziert, und von den vielen zehntausend Kilometern elektrischer Straßenbahn waren 1940 drei Viertel schon wieder verschwunden. Heute gibt es nur noch eine nennenswerte elektrifizierte Fernstrecke (Boston-Washington). Es geht also auch ohne Strom. Wozu dann die Mühe?
Es gibt mehrere Gründe: Elektrisch fahren ist umweltschonender, weil man Strom mit weniger Emissionen erzeugen und verteilen kann, als Diesellokomotiven das mit Bordmitteln schaffen. Das war allerdings früher kein Thema; Strom ist vor allem billiger und erlaubt mehr Leistung.
Billiger, weil eine Kilowattstunde Strom billiger ist als eine Kilowattstunde Dieselöl, aber auch, weil moderne Bahnen beim Bremsen aufgezehrte Bewegungsenergie wieder ins Netz zurückleiten können. Vor allem Elektrotriebzüge, bei denen viele Achsen angetrieben sind, sind darin gut. Mit dem Strom, den eine S-Bahn beim Anhalten abgibt, kann anderswo eine andere anfahren.
Mehr Leistung ist möglich, weil Elektroantriebe mehr Leistung auf kleinerem Raum bringen als Dieselmotoren und auch bei kleinen Drehzahlen die volle Zugkraft liefern. Man spart sich so das Hydrogetriebe oder den elektrischen Zwischenantrieb. Faustregel ist, dass eine Elektrolokomotive (Weltrekord 9,6 Megawatt) bei gleicher Baugröße etwa doppelt soviel leistet wie eine Diesellokomotive (Weltrekord unter 5 Megawatt). Das stört in Nordamerika wenig, wo man dann einfach mehr Lokomotiven vor, hinter und in den Zug setzt, aber dort kann man schwere Güterzüge ja auch oft mit dem Fahrrad überholen. Wo es um Geschwindigkeit geht, ist Dieselantrieb keine Option mehr, und der europäische Güterverkehr erreicht Geschwindigkeiten, von denen manche amerikanische Personenzüge träumen. Andererseits stört die Leitung beim doppelt hohen Beladen von Containerzügen (siehe Prellblog 15).

Nebenbei hat man mit elektrischem Antrieb keine Belüftungsprobleme in Tunnels und geschlossenen Räumen. Und man muss die Dachverglasung der Bahnhofshallen nicht mehr so oft putzen.

Der Titel dieses Eintrages ist übrigens die sinngemäße Antwort, die einmal jemand auf die Frage »Wie fährt denn dieser Zug nach Karlsruhe?« erhalten haben soll.

Bild: chelseagirl bei Flickr und Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

Sonntag, 25. März 2007

Der Autor

Ich heiße Matthias Warkus und bin 1981 in der westpfälzischen Kleinstadt Kusel geboren. Ich bin promovierter Philosoph und unter anderem als Assistent der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Philosophie tätig.
Zwar hatte ich als Kind eine Modelleisenbahn und war immer schon irgendwie interessiert an dem, was so auf Schienen fährt; ich hatte auch stets eine positive Einstellung zur Eisenbahn und bin sporadisch damit gefahren, aber systematisch damit beschäftigt habe ich mich nie. Das änderte sich mit Beginn des Studiums, das es mit sich brachte, die Strecke zwischen Neubrücke (Nahe) und Marburg (Lahn) regelmäßig im Zug zurückzulegen und auch sonst alle kleineren und größeren Strecken ohne eigenes Auto zu bewältigen. Ich entwickelte Interesse für  öffentliche Verkehrsmittel und begann, die deutschsprachigen Eisenbahngruppen im Usenet zu frequentieren, viele Fragen zu stellen und mir Informationen anzulesen. Bald darauf entwickelte sich das Bahnfahren von einer Pflichtübung zur bevorzugten Reiseart und führte mich von Marburg aus weit in alle Himmelsrichtungen - nach Norddeich, Amsterdam, Poole, Paris, Konstanz, Penzberg, Bologna, Berlin, Cottbus oder Flensburg, um nur die größten Entfernungen zu nennen. Mittlerweile war auch die Transsibirische Eisenbahn von Moskau nach Peking (und nonstop zurück) dabei, außerdem eine Dreiecksfahrt Québec-Chicago-Toronto-Québec.
Der Schwerpunkt meines politischen und wirtschaftlichen Interesses verlagerte sich ebenfalls auf den Verkehr und die Logistik. Ich begann, um mir selber eine Übersicht zu verschaffen, ein (mittlerweile eingestelltes) Verzeichnis über Eisenbahn-Bauprojekte zu führen. Das brachte mit sich, die Nachrichten zu verfolgen, und daher lese ich seit einigen Jahren einschlägige Pressedienste. Ich habe auch begonnen, Fachzeitschriften zu lesen, und 2004 sowie 2010 die weltgrößte Eisenbahnmesse InnoTrans besucht (2006 war ich leider außer Landes, 2008 mit meinem Studienabschluss beschäftigt). In der deutschsprachigen Wikipedia war ich an vielen Artikeln zum Thema Eisenbahn beteiligt.
Was mich von vielen »Eisenbahnfreunden« und »Bahnfans« unterscheidet, ist, dass mich Eisenbahn nich als Selbstzweck oder als historisches Faszinosum, sondern als sich ständig modernisierendes Verkehrsmittel, das voll in die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen unserer Gesellschaft eingebunden ist, beschäftigt. Modellbahnen, Museumsbahnen, Fahrzeuge und Stellwerke aus Kaisers Zeiten sind mir gleichgültig, sofern sie keinen Bezug zum aktuellen Betrieb haben. Ich fotografiere nur ganz selten Züge, und man wird mich nie den Formsignalen und Telegrafendrähten einer Strecke hinterherweinen sehen, wenn ihre Leittechnik modernisiert wird. Insofern kann ich auch mit großen Teilen der »Hobby-Presse«, die sich mit Eisenbahn beschäftigt, nichts anfangen, wo Bildstrecken über schmalspurige Nebenbahnen aus den 1930er Jahren, Modellbautipps und Listen mit Fotografiergelegenheiten wichtiger sind als aktuelle Berichterstattung und Hintergründe. Auch was online über die Eisenbahn geschrieben wird, verliert sich oft in den typischen Ritualen von Berichten über stillgelegte Nebenstrecken, abgestellte Lokomotivbaureihen und nostalgische Sonderzüge.
Prellblog ist mein Versuch, selber so über Eisenbahn als aktuelles und vielfältiges Thema zu berichten, wie ich es mir von vielen anderen Medien wünschen würde.

Mein privates Blog ist das mawalog.

Donnerstag, 22. März 2007

2: Theseus' Bahnhof

Berühmte und schöne Bahnhöfe sind nicht immer die, wo am meisten los ist. Die Rangliste in Europa wird zum Beispiel nicht von einer glitzernden Verkehrskathedrale wie Milano Centrale angeführt, sondern von Clapham Junction, einem eher unspektakulären Umsteigebahnhof im Südwesten der Londoner Innenstadt. Weltweit am stärksten frequentiert ist Shinjuku Station in Tokio, ein gigantisches, größtenteils unterirdisches Gewirr aus Bahnsteigen und Ladenzeilen, das äußerlich mit den schöneren Bahnhöfen Japans nicht mithalten kann.
In Deutschland gibt es Vergleichbares: Berlin Ostkreuz, wo sich Stadtbahn und S-Bahn-Ring schneiden, zählt täglich bis zu 150.000 Fahrgäste, mehr als zum Beispiel der Nürnberger Hauptbahnhof. Dabei halten dort ausschließlich S-Bahnen, keine sonstigen Nahverkehrs- oder gar Fernzüge (also nichts von dem, was in Berlin unter »Fernbahn« zusammengefasst wird). Der Bahnhof ist eine historisch gewachsene Ansammlung windschiefer Bahnsteige, löchriger Überdachungen, krummer Treppen und baufälliger Brücken um eine Kombination aus Kreuzungs- und Verzweigungsbahnhof herum.
Seit seinem Bau 1882 gab es viele vergebliche Anläufe, das Ostkreuz in einen befriedigenden Zustand zu bringen. Der neueste scheint nun endlich ernst zu werden. Die Planfeststellung steht seit dem 4. Dezember 2006: Das ewige Provisorium soll seinen Grundriss völlig ändern, dazu eine Gleishalle, kurze Wege, Rolltreppen, Aufzüge, Eingänge nach allen Richtungen und einen ordentlichen Bahnhofsvorplatz bekommen, alles Dinge, die es bis jetzt nicht hatte. Nebenbei wird es dadurch behinderten- und kinderwagengerecht. Ganz so wie das Schiff des Theseus, bei dem am Ende keine einzige Planke mehr die alte war, wird das Ostkreuz allerdings nicht enden; die denkmalgeschützten Elemente sollen beim Wiederaufbau neu verwendet werden.
Deutlich wird hier, welche Ausmaße vermeintlich harmlose Bahnhofssanierungen annehmen können, wenn sie in wichtigen städtischen Knoten passieren. Da man sich eine Vollsperrung nicht erlauben kann, muss der Umbau bei Betrieb stattfinden und soll so etwa zehn Jahre dauern. Um das Umsteigen zu erleichtern und die allgemeine Verkehrsanbindung des Stadtteils zu verbessern, werden die Gleisverbindungen in weitem Umkreis (bis hin zum Ostbahnhof) umgekrempelt und Fernbahnsteige für den Nahverkehr hinzugebaut. Alleine die Bauvorbereitungen dauern jetzt schon seit über einem Jahr an. Dabei hat es noch keinen offiziellen Spatenstich gegeben.
Man rechnet mit Baukosten von über vierhundert Millionen Euro; damit handelt es sich um eines der zehn größten Bahnbauprojekte Deutschlands (siehe auch Prellblog 21).

Nach Angaben der DB werden geschätzte 230.000 Fahrgäste am Tag den neuen Bahnhof benutzen. Wenn man sich das enorme Fahrgastwachstum der Berliner S-Bahn anschaut (fast 20% in den letzten beiden Jahren), ist das durchaus realistisch. Die Eisenbahn wächst, und manchmal muss man dafür eben viel Geld in die Hand nehmen.

Wer verfolgen möchte, wie am Ostkreuz eine Planke nach der anderen ausgewechselt wird -hoffentlich, ohne dass es dabei untergeht-, kann das beim Ostkreuzblog tun, das ab sofort in der Linkliste aufgeführt ist.

Bild: Túrelio bei Wikimedia Commons (vollständiges Foto, Details und Lizenz)

Glücklich getrennt

Um den Textfluss um die Bilder herum und den Flattersatz allgemein zu verbessern, probiere ich die automatische JavaScript-Silbentrennung von Mathias Nater aus. Meiner Meinung nach eine ziemlich schicke Lösung, die nur den Nachteil hat, dass sie mit Firefox derzeit noch nicht funktioniert. Das liegt aber an Firefox. :)

Donnerstag, 15. März 2007

1: Die Bahn, der Kies und das Klima

Beim Thema Klima wird neben Glühbirnen auch die Eisenbahn angesprochen. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, uns überreden zu wollen, lieber damit zu verreisen, statt wegzufliegen. Mir geht es vielmehr darum, was dort, wo die nackte Ökonomie entscheidet, für das Klima getan werden kann: Im Güterverkehr.
Vorweg: Kann die Eisenbahn überhaupt etwas fürs Klima tun? - Sie kann. Eine Tonne 100 Kilometer weit zu fahren verbraucht auf der Schiene im Schnitt weniger als ein Viertel an Primärenergie als auf der Straße und stößt dabei weniger als ein Fünftel an Kohlendioxid aus. Das Ziel der Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene hat also klimapolitisch Sinn; fragt sich nur, wieviel sich verlagern lässt.
2006 wurden in Deutschland 70,1% des Transportvolumens auf der Straße erbracht. 17,1% fuhr die Eisenbahn, und damit ist ihr Anteil in einem wachsenden Markt erstaunlicherweise das vierte Jahr in Folge gestiegen. Es geht also. Die Frage ist, ob da nicht noch viel mehr geht. Und da kommt ein Wert ins Spiel, der gerne unter den Tisch fällt: Nach üblicher Daumenpeilung sind etwa die Hälfte des Transportvolumens auf der Straße sogenannte Liefer- und Baustellenverkehre. Das Beliefern von Geschäften und Restaurants in der Innenstadt war nie Sache der Eisenbahn, und die meisten Baustellen haben keinen Gleisanschluss. Entsprechend darf man Verlagerungserfolge nicht an der vollen Höhe der Statistik messen.
Oder doch? Dieser Tage hat in Amsterdam ein Pilotversuch mit Güterstraßenbahnen begonnen. Zunächst zwei Züge sollen Waren in die Innenstadt befördern, wo sie an zwei Stationen auf Elektroautos umgeschlagen werden. Güterstraßenbahnen fahren bereits in Wien und in Dresden; in Zürich wird seit 2003 Sperrmüll per Straßenbahn eingesammelt.
Auf der anderen Seite freut sich die DB darauf, zweieinhalb Millionen Tonnen Sand, Kies und Splitt auf die Baustelle des neuen Berliner Großflughafens zu liefern. In der Tat hat es zuletzt öfter Bauprojekte gegeben, bei denen Material mit der Bahn transportiert wurde, zwar meist Bahnbaustellen, aber auch Autobahnteilstücke. Da es ein Vorteil der Eisenbahn ist, große Mengen niederwertiger Güter mit vergleichsweise geringem Aufwand abzutransportieren, und alle begeistert sind, wenn eine Baustelle einmal nicht bedeutet, dass im Dreiminutentakt staubende Kipper über die Landstraßen kriechen, ist solcher Baustellenverkehr im Prinzip eine tiefhängende Frucht, wenn man es nur schafft, den Schotter auch auf den Zug und von ihm runter zu bekommen.

Die Eisenbahn leistet in Deutschland derzeit mehr für den Klimaschutz als seit langem, aber wenn es noch viel mehr werden soll, muss weiter auch in unerschlossenen Ecken gekratzt werden. Containerzüge nach Rotterdam sind nicht alles.

Bild: Klaus Jähne bei Wikimedia Commons (Details und Lizenz)

Mittwoch, 14. März 2007

Das Konzept

Was es hier gibt:
Jede Woche etwa 500 Wörter und ein Bild zum Thema Eisenbahn in Deutschland und anderswo (meistens aber in Deutschland). Soweit möglich, immer montags, gerne an aktuelle Ereignisse anknüpfend. Und hoffentlich interessant.

Was es hier nicht gibt:
Eisenbahnromantik, historische Fotos von Dampflokomotiven, Berichte aus der Welt der Modelleisenbahn, nostalgische Betrachtungen, verkehrspolitischen Fundamentalismus und Tipps für Trainspotter. Begriffshaarspaltereien darum, was denn nun genau eine S-Bahn oder eine U-Bahn ausmacht und warum Straßenbahnen angeblich keine Eisenbahnen sind. Gejammer aller Art. Ebenso verzichte ich aus reinem Trotz völlig auf die Standardformulierung »Bahnchef Mehdorn«. (Nachtrag vom 17.07.2009: Der letzte Satz gilt sinngemäß auch für »Bahnchef Grube«, sofern sich das genauso durchsetzen wird.)

Was ich mir wünsche:
Viele LeserInnen und viele Kommentare. Fragen, die ausführlichere Behandlung verdienen, werden in einer eigenen Kolumne beantwortet (Ressort »Zuschriften«).

Was hier noch nicht fertig ist:
Ich suche noch nach einer guten, aber schlichten Vorlage für Blogger, die irgendwie nach Eisenbahn aussieht. Es wäre auch nett, wenn man die Seite dazu bringen könnte, anstandslos als XHTML zu validieren.


Zur Technik:
In diesem Blog werden regelmäßig zurückliegende Beiträge überarbeitet, ohne dies eigens zu vermerken. Allerdings betreffen diese Änderungen nicht den Inhalt, sondern nur Korrekturen von Rechtschreibfehlern und Ähnlichem sowie das Hinzufügen von Links. Falls doch einmal inhaltliche Nachträge nötig werden sollten, werden diese entsprechend gekennzeichnet.

Impressum

Matthias Warkus
Neue Kasseler Straße 22
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